Paulas Reisen — Herat, Afghanistan

Die Gottesanbeterin
Die Got­tes­an­be­te­rin

Ein gro­ßer Teil die­ser Web­sei­te besteht aus dem taz-Blog von Pau­la Z. (die ganz anders heißt, wie ich inzwi­schen weiß) über ihre Rei­se von Nord­deutsch­land nach Nepal über Land mit einer Hip­pie­trup­pe in einem Mer­ce­des-Trans­por­ter D608 im Jahr 1977.

Hip­pie­trup­pe mei­ne ich ganz respekt­voll, auch wenn es viel­leicht nicht genau trifft.

Es ist vie­le Jah­re her, dass ich die­sen Rei­se­be­richt zum ers­ten Mal gele­sen habe und nicht auf­hö­ren konn­te, bis er — irgend­wie — endet. Es ist eine der Geschich­ten, bei denen man immer mehr wis­sen will und eigent­lich gar nicht möch­te, dass es zu Ende geht.

Die taz hat ihre Blog­sei­te irgend­wann umge­stellt und die alten Blogs dabei ent­sorgt. Dar­über war ich sehr trau­rig und fand, die taz könn­te mit ihren Inhal­ten ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ter umge­hen, aber sei’s drum, es war ja gesche­hen. Zum Glück hat­te ich vor­her einen Abzug von Pau­las Rei­se­be­richt gemacht und habe das in mei­nen Word­Press-Blog (die­sen hier) über­nom­men.

Wie­der­um vie­le Jah­re danach schrieb mir zu mei­ner gren­zen­lo­sen Über­ra­schung die Autorin des Rei­se­be­richts und lüf­te­te ihr Pseud­onym. Wir tausch­ten eini­ge E‑Mails aus. Dann ent­deck­te Eva, wie Pau­la eigent­lich heißt, dass ein Kapi­tel mit­ten­drin fehlt und schick­te mir die feh­len­den Bil­der und den Text. Jetzt ist die­se Lücke geschlossen.

Dan­ke Paula! 

Film ohne Namen (und ohne Ton)

In der zehn­ten Klas­se unter­nah­men wir eine Fahr­rad­tour durch Schles­wig-Hol­stein, eine Klassenfahrt.

An Ende blie­ben uns zwei Tag­ein der Jugend­her­ber­ge in Mölln, der Eulen­spie­gel­stadt. Dort ent­span­nen sich schnell Bekannt­schaf­ten mit den ande­ren Jugend­her­bergs­gäs­ten. Es ent­stand die Idee für ein kur­zes Dra­ma über häus­li­che Pflich­ten, Motor­rad­fah­ren, (feh­len­de) Lei­den­schaft etc. Ich hat­te mit mei­ner Super-8-Kame­ra bereits unse­re Tour fest­ge­hal­ten. Es war aber noch Film­ma­te­ri­al übrig, um die Geschich­te in einen klei­nen Film umzusetzen.

Doch sehen Sie selbst.

Krieg in der Ukraine — geht er nie zu Ende?

Kyiv — Foto: Jor­ge Franganillo

Ein gerech­ter Frie­den, aus dem alle Par­tei­en erho­be­nen Haup­tes her­vor­ge­hen und der abso­lu­te Ver­zicht auf Gewalt zur Durch­set­zung von Gebiets­an­sprü­chen könn­te dazu füh­ren, dass auch Ukrai­ne und Russ­land sich am Ende des Kon­flikts die Hän­de rei­chen. Ja, das ist vor­stell­bar, trotz aller Ver­let­zun­gen und Opfer, die die Ukrai­ne erdul­den muss­te, und trotz des Wun­sches nach Ver­gel­tung für die rus­si­schen Sol­da­ten, die in die­sem Krieg gefal­len sind, den die Ver­wand­ten der rus­si­schen Gefal­le­nen zwar irra­tio­nal, aber trotz­dem irgend­wie ver­ständ­lich hegen.

Lei­der gibt es Kriegs­trei­ber wie den ukrai­ni­schen Bot­schaf­ter in Deutsch­land, der genüss­lich ver­kün­det, dass die Ukrai­ne sich auch nach einem Frie­dens­schluss natür­lich die Krim zurück­ho­len wür­de, sobald Russ­land irgend­wie Schwä­che zeigt.

Aller­dings hat auch Deutsch­land 25 Jah­re gebraucht, um zu akzep­tie­ren, dass die Gebie­te „jen­seits von Oder und Nei­ße” nie wie­der Teil eines deut­schen Staa­tes wer­den. (Natür­lich hat­te Deutsch­land die­se Gebie­te in einem von ihm ange­zet­tel­ten Angriffs­krieg ver­lo­ren, gerech­ter­wei­se sozu­sa­gen, wäh­rend der Don­baz und die Krim der Ukrai­ne durch einen Angriff auf ihrem eige­nen Ter­ri­to­ri­um rechts­wid­rig weg­ge­nom­men wur­den, wodurch der Ver­gleich hinkt).

Versöhnung mit Putin?

Putin ver­ei­nigt das rus­si­sche Volk hin­ter sich (und auch vie­le Rus­sen und ande­re Men­schen im Aus­land) durch sein Nar­ra­tiv, Russ­land stän­de allei­ne gegen den Rest der Welt, nur aus dem einen Grund, weil der Wes­ten Russ­land wirt­schaft­lich und mili­tä­risch ver­nich­ten und unter­wer­fen will. 

Dage­gen steht das Nar­ra­tiv des Wes­tens, dass man nicht gegen Russ­land kämpft, son­dern einer befreun­de­ten Nati­on hilft, die von Russ­land unrecht­mä­ßig auf dem eige­nen Ter­ri­to­ri­um ange­grif­fen wur­de. Die­se Begrün­dung für alle Hil­fe des Wes­tens für die Ukrai­ne wird lei­der nicht im Ent­fern­tes­ten so ein­stim­mig vor­ge­bracht wie die rus­si­sche Pro­pa­gan­da. Das scha­det ihrer Glaubwürdigkeit.

Der ers­te Schritt von die­sem Weg war bereits mit dem Satz des ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten Biden gemacht, der auf Putin gemünzt sag­te „Um Got­tes wil­len, die­ser Mann kann nicht an der Macht blei­ben.“ Lei­der füg­te er nicht hin­zu „… wenn es zwi­schen Russ­land und Ukrai­ne Frie­den geben soll”, was das eigent­li­che Ziel des Bei­stands für die Ukrai­ne wie­der in den Mit­tel­punkt gerückt hät­te. Auf die­se Wei­se ent­stand der Ein­druck, die Ame­ri­ka­ner ver­folg­ten eine Desta­bi­li­sie­rung Russ­lands und den Sturz sei­ner Admi­nis­tra­ti­on mit Wirt­schafts­sank­tio­nen und durch die Ver­län­ge­rung des Ukrai­ne­kriegs als pri­mä­res Ziel, um … ja spä­tes­tens hier muss man sich ja fra­gen, wel­chen Grund die Ame­ri­ka­ner dazu haben soll­ten, außer einem tief ver­wur­zel­ten Hass gegen alles, das aus dem Osten kommt (außer chi­ne­si­schen T‑Shirts).

Als Nächs­tes sag­te der unglück­li­che ame­ri­ka­ni­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Aus­tin, die Ukrai­ne kön­ne gewin­nen, „wenn sie die rich­ti­ge Aus­rüs­tung und die rich­ti­ge Unter­stüt­zung“ habe. Gewin­nen und Russ­land unter­wer­fen — hat er das gemeint? Das ist absurd, wird aber natür­lich ger­ne als Bedro­hungs­sze­na­rio zur Recht­fer­ti­gung der immer dras­ti­sche­ren rus­si­schen Kriegs­füh­rung aufgegriffen. 

Zwar ist Aus­tin nur Verteidigungs‑, nicht Außen­mi­nis­ter, aber etwas Nach­den­ken über ein Ende des Krie­ges hät­te auch ihm nicht gescha­det, bevor er sich öffent­lich äußert. Dann hät­te er gewusst, dass eine Rück­kehr zum Sta­tus quo ante, den Gren­zen vom 23. Febru­ar 2022 bei einer ein­ver­nehm­li­chen Rege­lung über die Admi­nis­tra­ti­on der Gebie­te unter rus­si­scher Besat­zung und ein Kor­ri­dor unter rus­si­scher Hoheit zwi­schen Don­baz und Krim (der fast zwin­gend die Stadt Mariu­pol ein­schließt) rea­lis­tisch das Bes­te ist, das eine Frie­dens­lö­sung errei­chen könnte.

Wir müs­sen uns gegen die Kräf­te weh­ren, die sich die Zer­stö­rung Russ­lands auf die Fah­nen schrei­ben, vor allem dann, wenn sie es als offi­zi­el­le Hal­tung einer Regie­rung zum Aus­druck brin­gen, wie es in den USA, Groß­bri­tan­ni­en und lei­der auch gele­gent­lich auf ukrai­ni­scher Sei­te passiert. 

Eine Erb­feind­schaft, wie sie zu Kai­ser­zei­ten zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich gepflegt wur­de, um damit bei jeder pas­sen­den Gele­gen­heit einen Krieg vom Zaun zu bre­chen, ist ana­chro­nis­tisch, nicht nur, weil Krie­ge heu­te gefähr­li­cher sind als je zuvor, son­dern auch, weil sie kei­nen Raum für die Been­di­gung der Feind­se­lig­kei­ten lassen.

Ein paar Gedanken zum Pflegenotstand

Schwes­tern­schü­ler Anfang des 20. Jahrhunderts

Neu­lich sprach ich mit mei­nem Sohn Robin über Wege aus dem Pfle­ge­not­stand. Sei­ne Mut­ter ist Pfle­ge­kraft, also sind wir gewis­ser­ma­ßen Betrof­fe­ne. Durch mei­ne Arbeit im Betriebs­rat eines Kran­ken­hau­ses und die damit ver­bun­de­nen, vie­len Gesprä­che habe ich etwas Ein­sicht in die Pro­ble­me gewonnen.

Anders als vie­le anneh­men, ist Geld nicht das pri­mä­re Pro­blem. Pfle­ge­kräf­te auf einer Inten­siv­sta­ti­on ver­die­nen rela­tiv gut, abhän­gig vom Arbeit­ge­ber, vor allem, wenn sie eini­ge Jah­re Berufs­er­fah­rung haben. Bei den Kol­le­gen auf den peri­phe­ren Sta­tio­nen ist sicher mehr Luft nach oben. 

Zwei Din­ge wür­den mei­nes Erach­tens wirk­lich hel­fen, die bis­her über­haupt nicht oder nicht aus­rei­chend the­ma­ti­siert wurden.

Das Berufs­bild muss sich so ändern, dass dem Pfle­ge­be­ruf mehr Ver­ant­wor­tung und mehr Hand­lungs­op­tio­nen über­tra­gen wer­den. Die Aus­bil­dung muss ent­spre­chend ange­passt wer­den, sodass Pfle­ge­kräf­te auf Augen­hö­he mit den behan­deln­den Ärz­ten in der Behand­lung der Pati­en­ten zusam­men­ar­bei­ten kön­nen, wie es in ande­ren Län­dern üblich ist. In man­chen Kli­ni­ken ist das bereits der Fall, aber noch nicht aus­rei­chend. Durch die Auf­wer­tung des Berufs­bil­des wird der Beruf attrak­ti­ver für jun­ge Leu­te, was wie­der­um mit­tel­fris­tig zu mehr Berufs­an­fän­gern führt. Die Rei­hen könn­ten sich so in ein paar Jah­ren wie­der füllen.

Zwei­tens muss man ein­se­hen, dass nicht alle einen Beruf, der kör­per­lich und psy­chisch so anstren­gend ist, bis zum Ren­ten­al­ter aus­üben kön­nen. Im Moment sieht man das beson­ders deut­lich, weil es mehr älte­re Pfle­ge­kräf­te als jun­ge gibt. Das ist Demo­gra­fie und nicht zu ändern. 

Älte­re Pfle­ge­kräf­te berich­ten, dass die Arbeits­tei­lung frü­her bes­ser funk­tio­niert hat als heu­te. Kör­per­lich schwe­re Arbei­ten haben eher die jun­gen Pfle­ge­kräf­te über­nom­men und man konn­te jeman­den dazu rufen, wenn Not am Mann war. Pfle­ge­kräf­te über 50 wur­den viel­fach nicht mehr oder zu weni­ger Nacht­diens­ten her­an­ge­zo­gen, wie es der Arbeits­schutz emp­fiehlt. Das alles ist durch Demo­gra­fie und die knap­pen Beset­zun­gen der Diens­te nicht mehr mög­lich. Hier muss eine Per­spek­ti­ve geschaf­fen wer­den, die es erlaubt, frü­her aus­zu­stei­gen oder in weni­ger belas­ten­de Tätig­kei­ten zu wechseln. 

Von Flug­lot­sen und Pilo­ten sind sol­che Model­le bekannt. Bei den Pfle­ge­kräf­ten geht es um ein paar Nasen mehr, hier muss mehr Geld in die gesetz­li­che Alters­si­che­rung flie­ßen (nicht nur in die Taschen der Betrof­fe­nen), um einen frü­he­ren Ein­stieg in die Regel­al­ters­ren­te ohne Abschlä­ge zu ermög­li­chen, denn es gibt nicht für alle Älte­ren weni­ger belas­ten­de Tätig­kei­ten, in die sie wech­seln könn­ten. Selbst vie­le jun­ge Leu­te kön­nen sich heu­te nicht vor­stel­len, den Pfle­ge­be­ruf bis zur Regel­al­ters­gren­ze aus­zu­üben. Unter der Belas­tung redu­zie­ren vie­le ihren Arbeits­zeit­an­teil und gehen mit weni­ger Geld nach Hau­se — und da geht es nicht um die viel beschwo­re­ne Work-Life-Balan­ce! Das Licht am Ende des Tun­nels ist ein­fach zu weit weg.

Pflegenotstand — kein Ende in Sicht

Im Betriebs­rat in dem Kran­ken­haus, in dem ich zur Zeit arbei­te, gerie­ten wir kürz­lich wie­der ein­mal in eine hef­ti­ge Debat­te über die Grün­de für den Man­gel an Pfle­ge­kräf­ten und über Mög­lich­kei­ten, die­sen Man­gel zu besei­ti­gen. Aus­ge­löst wur­de sie durch eine Mit­be­stim­mungs­an­zei­ge für zwei Pfle­ge­kräf­te aus Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na, die auf der Inten­siv­sta­ti­on die Arbeit auf­neh­men sollten.

Im Grun­de genom­men ist die gegen­wär­ti­ge Gewin­nung von Pfle­ge­kräf­ten — wie im übri­gen schon seit lan­gem — unethisch, weil sie auf Kan­ni­ba­li­sie­rung beruht. Es ist ein gutes Zei­chen, dass es uns wütend macht, denn es ist falsch und muss bekämpft werden.

Die Kan­ni­ba­li­sie­rung geht natio­nal und inter­na­tio­nal von­stat­ten. Es ist näm­lich kein Zei­chen von wun­der­ba­rer inter­na­tio­na­ler Zusam­men­ar­beit, dass man die Gren­ze zu Tsche­chi­en nicht schlie­ßen kann, weil dann in Bay­ern Ärz­te und Pfle­ge­kräf­te feh­len (und Arbeits­kräf­te bei Auto­bau­ern und ‑zulie­fe­rern), son­dern eine aggres­si­ve und zer­stö­re­ri­sche Aus­beu­tung der Res­sour­cen unse­rer euro­päi­schen Nach­barn. Hat sich denn nie jemand gefragt, wer in Ser­bi­en, Alba­ni­en, Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na, in Tsche­chi­en und in Polen — um nur ein paar Bei­spie­le zu nen­nen — kran­ke Men­schen behan­delt und pflegt? Wie die­se Län­der es ver­kraf­ten, dass die Men­schen ihnen den Rücken keh­ren, sobald sie gut aus­ge­bil­det sind? Was das für die Zukunft die­ser Län­der bedeu­tet? Offen­bar haben wir uns so sehr an die­sen sehr ein­sei­ti­gen „Aus­tausch” gewöhnt, dass wir nichts Anrü­chi­ges dar­an fin­den kön­nen. War das nicht immer schon so? Kom­men Kran­ken­schwes­tern nicht schon immer von weit her, aus Viet­nam und aus Polen? Hat man sich nicht mitt­ler­wei­le dar­an gewöhnt, dass der Arzt den Pati­en­ten nicht gut ver­steht, weil er des­sen Spra­che nur lücken­haft spricht?

Ausweisungen und das Recht auf Asyl

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Es gibt vie­le Grün­de, mit der Ein­wan­de­rungs­po­li­tik und der Asyl­ge­wäh­rung hier­zu­lan­de unzu­frie­den zu sein. Das größ­te Unbe­ha­gen berei­tet mir die feh­len­de Bestimmt­heit bei den Ver­fah­ren, die regeln, wer blei­ben darf und wer gehen muss.

Die Ent­schei­dung über ein Asyl­ge­such und über das Blei­be­recht, wenn kei­ne for­ma­len Asyl­grün­de vor­lie­gen, wird in der Bun­des­re­pu­blik weit­ge­hend in einer recht­li­chen Grau­zo­ne nach per­sön­li­chem Ermes­sen von Sach­be­ar­bei­tern getrof­fen. Der Rechts­weg steht zwar grund­sätz­lich jedem offen, des­sen Ersu­chen abschlä­gig beschie­den wird. Aber ein schlech­tes Ver­fah­ren wird nicht bes­ser, weil ein Rich­ter es über­prü­fen kann. Im Gegen­teil, auch der Rich­ter stützt sich bei sei­ner Ent­schei­dung auch auf die im Asyl­ver­fah­ren erho­be­nen Erkennt­nis­se und kommt daher fast zwin­gend zum glei­chen Ergebnis. 

Ein Pro­blem dabei, von dem immer wie­der berich­tet wird, sind die Dol­met­scher, die gro­ßen Ein­fluss dar­auf haben, was in den Akten fest­ge­hal­ten wird. Wenn der Über­set­zer aber aus eth­ni­schen oder reli­giö­sen Grün­den, oder weil er ein­fach dem Her­kunfts­staat gegen­über loy­al ist, dem Asyl­su­chen­den nicht wohl­ge­son­nen ist, kann er des­sen Ein­las­sun­gen ver­fär­ben oder ver­fäl­schen, ohne dass das leicht zu ent­de­cken ist. Das geschieht tag­täg­lich, nicht nur in Einzelfällen.

Asyl­su­chen­de erle­ben die Prü­fung ihres Antrags oft als einen Akt der Will­kür und die Obrig­keit als in ihrem Han­deln ohne Regeln und Kon­trol­le von Gefäl­lig­kei­ten und Gehäs­sig­kei­ten gesteu­ert — nicht anders, als sie es oft aus ihrem Her­kunfts­land gewohnt sind. Die Bun­des­re­pu­blik muss ihnen als Will­kür­staat erschei­nen, in dem Recht und Gesetz nicht prä­sent sind, was sich gele­gent­lich — ohne das ent­schul­di­gen zu wol­len — auf die Com­pli­ance des Asyl­su­chen­den überträgt.

Für Asyl­su­chen­de und für die Men­schen im Lan­de ist es jeden­falls zer­mür­bend, wenn Aus­wei­sun­gen damit begrün­det wer­den, die Betrof­fe­nen sei­en „Gefähr­der und Straf­tä­ter”, ohne dass man sich des­sen sicher sein kann, dass die­se Ein­ord­nun­gen in jedem Ein­zel­fall rechts­staat­li­chen Kri­te­ri­en genügt. So sind Zwei­fel begrün­det, dass nur sol­che Per­so­nen in ihr Her­kunfts­land zurück­ge­führt wer­den, bei denen man bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung zu dem Ergeb­nis kom­men muss, dass sie dem Asyl­land und sei­nen Bür­gern Scha­den zufü­gen wer­den. Wenn aber Men­schen, die ihrem Gast­land wohl geson­nen sind, durch die Rück­füh­rung in ihr Her­kunfts­land einem Risi­ko von Ver­fol­gung, Fol­ter und Tod aus­ge­setzt wer­den, so ist das beson­ders tra­gisch. Ob man im Gegen­zug hin­neh­men will, dass Per­so­nen einem sol­chen Risi­ko aus­ge­setzt wer­den, die dem Asyl­land scha­den, ist ein wei­tes Feld der Debat­te, das schließ­lich in der Fra­ge mün­det, ob Leben und Gesund­heit jedes Men­schen hier und heu­te tat­säch­lich unter dem beson­de­ren Schutz der staat­li­chen Ord­nung stehen.

Da es immer wie­der um Leben und Gesund­heit des ein­zel­nen Asyl­su­chen­den geht, besteht ein drin­gen­der Bedarf, das Asyl­ver­fah­ren rechts­si­cher durch Geset­ze fest­zu­le­gen und der Grau­zo­ne der Unsi­cher­heit und des per­sön­li­chen Ermes­sens zu ent­rei­ßen. Hier­zu gehört auch die Fest­le­gung, wann Per­so­nen hier blei­ben dür­fen, deren Asyl­ge­such abge­lehnt wur­de. Rechts­si­cher­heit in die­sen wich­ti­gen und kon­tro­vers dis­ku­tier­ten Fra­gen ist sicher kei­ne unbil­li­ge Erwar­tung gegen­über einem Rechtsstaat.

Die Ver­fah­ren zur Gewäh­rung des ALG II kann man übri­gens unbe­denk­lich mit glei­cher Elle mes­sen, obwohl es da „nur” um staat­li­che Leis­tun­gen geht, nicht um Leben und Tod.

Mit dem Lastwagen in den Irak, nach Kuwait, Saudi-Arabien und weiter

Ori­ent­trans­port in der 70er und 80er Jahren

Franz Sta­del­mann, Autor des Buchs „Die­sel­stra­ße
Franz Stadelmann 1986 in Ankara
Franz Sta­del­mann 1986 in Ankara

Eine typi­sche Ori­ent­tour sah in den 70er Jah­ren so aus: Laden in Grenz­nä­he (damals gal­ten in der Schweiz noch 28 Ton­nen Gesamt­ge­wicht) oder Abho­len der Ladung im euro­päi­schen Raum. Eröff­nung der TIR-Doku­men­te beim Schwei­zer Zoll. Dann über die Gren­ze und los. Ent­we­der über Ita­li­en oder via Öster­reich nach Zagreb und dann den Auto­put hin­un­ter über Bel­grad nach Niš. Von dort über Bul­ga­ri­en oder Thes­sa­lo­ni­ki nach Istan­bul. Dort mach­te wohl jeder einen Halt im Lon­dra Camp. Das war vor allem ein gro­ßer Park­platz mit einem Restau­rant, Telex und Tele­fon. Und wei­ter unten befand sich das West­ber­lin für die lau­en Abend­stun­den. Spä­ter dann über den Bolu-Pass nach Anka­ra. Dort ver­zweig­ten sich die Wege. Gera­de­aus nach Tehe­ran oder nach Süden bis Ada­na. Von dort run­ter nach Syri­en und durch Jor­da­ni­en in den Wes­ten Sau­di-Ara­bi­ens.
Oder von Ada­na auf einer end­los lan­gen Schot­ter­pis­te durch die Süd­ost­tür­kei und hin­ein in den Irak. Von Bag­dad viel­leicht wei­ter nach Bas­ra und Kuwait oder sogar noch wei­ter bis in den Osten von Sau­di-Ara­bi­en. Nur äußerst sel­ten gab es Trans­por­te nach Afgha­ni­stan, Paki­stan und in die Emi­ra­te.
Eine typi­sche Tour dau­er­te 3 Wochen. Schweiz – Tehe­ran und zurück waren 10.000 km und die lan­ge Tour nach Sau­di-Ara­bi­en konn­te bis 16.000 km aus­ma­chen. Der jugo­sla­wi­sche Auto­put bestand aus Beton­ele­men­ten, sodass der Last­wa­gen alle 50 Meter wie bei der Eisen­bahn nick­te. Die­ses ein­tö­ni­ge und ein­schlä­fern­de Geräusch mag einer der Grün­de für die vie­len Unfäl­le ent­lang des Auto­puts gewe­sen sein. Die Stra­ße bis Anka­ra war von fuß­tie­fen Schlag­lö­chern abge­se­hen tole­ra­bel. Doch dahin­ter war nur noch eine end­lo­se Well­blech­pis­te bis zur Gren­ze zum Iran. Zwi­schen Anka­ra und Ada­na führ­te eine mick­ri­ge Stra­ße über den Tau­rus-Pass, in des­sen tie­fen Schluch­ten und engen Kur­ven vie­le Unfäl­le gescha­hen. Im Iran, Syri­en, Jor­da­ni­en und Sau­di-Ara­bi­en waren die Stra­ßen tadel­los. Dies ver­lock­te zu hohen Geschwin­dig­kei­ten, die oft in Kon­flikt mit que­ren­den Kame­len und Eseln kamen. Doch noch bis in die 80er Jah­re war die direk­te Rou­te von Jor­da­ni­en nach Riad eine ein­fa­che Sand­pis­te durch die Wüs­te ent­lang einer Pipe­line. Von die­sem Stre­cken­ab­schnitt stammt wohl auch der damals häu­fig gebrauch­te Begriff: ‚in den Sand hin­un­ter fah­ren’, was bedeu­te­te, eine Ori­ent­tour machen.
Pro­ble­me gab’s natür­lich an den Zoll­über­gän­gen, die oft so ver­stopft waren, dass der Grenz­über­tritt einen bis meh­re­re Tage dau­ern konn­te. Beson­ders die Gren­ze zwi­schen Bul­ga­ri­en und der Tür­kei und jene zwi­schen der Tür­kei und dem Iran waren sehr oft üble Nadel­öh­re. Wäh­rend des Schah-Stur­zes und der Macht­über­nah­me durch Kho­mei­ni (Ende 1978 und Beginn 1979) blie­ben rund 1000 Last­wa­gen zwi­schen der Tür­kei und dem Zoll­amt Baz­ar­gan (Iran) hän­gen, weil die Revol­te gegen den Schah zu Streik und Auf­ruhr führ­te. Ein­zel­ne Fern­fah­rer harr­ten von Novem­ber 78 bis Febru­ar 79 in die­sem unwirt­li­chen und bit­ter­kal­ten Nie­mands­land aus.
Am Bestim­mungs­ort muss­te die Fracht ver­zollt wer­den, was zeit­auf­rei­bend war und oft nicht ohne selbst­er­nann­te Deklar­eu­re von­stat­ten ging. Beson­ders in Tehe­ran war es üblich, bis zu einer Woche auf die Ver­zol­lung zu war­ten. In Bag­dad muss­ten die Last­wa­gen rund 40 Kilo­me­ter west­lich der Stadt qua­si in der Wüs­te auf Ver­zol­lung und Ent­la­den war­ten. Ein­zi­ge Abwechs­lung war ein seich­ter Stau­see 20 km west­lich die­ser Tru­cker­stadt.
Zurück fuh­ren die Last­wa­gen so gut wie immer in Leer­fahrt. Die Tanks wur­den beson­ders in Sau­di-Ara­bi­en natür­lich voll­ge­tankt, vie­le Fahr­zeu­ge hat­ten Die­sel­tanks von 1500 Litern unter dem Anhän­ger oder Auf­lie­ger. Das gab beim Ein­tritt in die Tür­kei oft erheb­li­che Pro­ble­me, die durch Dis­kus­si­on und Geld gere­gelt wur­den. Die Rück­fahrt ließ sich meis­tens in einer knap­pen Woche machen. Vie­le Fah­rer luden den Anhän­ger auf den Zug­wa­gen, ande­re plan­ten ihr Fahr­zeug ab, um weni­ger Luft­wi­der­stand zu haben, etli­che wie­der­um fuh­ren nach dem Ent­la­den sogleich los. Nach einer Ori­ent­tour waren die Repa­ra­tu­ren an den Fahr­zeu­gen oft erheb­lich. Auch bei vor­sich­ti­ger und defen­si­ver Fahrt gin­gen immer mal wie­der Tei­le kaputt. Die Repa­ra­tur vor Ort war oft nicht mög­lich. Es gab defek­te Last­wa­gen, die von Kol­le­gen von Tehe­ran bis zurück in die Schweiz geschleppt wur­den.
Gefähr­lich waren die Ori­ent­trans­por­te eigent­lich nicht. Trotz­dem ver­lo­ren sehr vie­le Kol­le­gen ihr Leben durch Unfäl­le, ein paar wur­den auch aus­ge­raubt und getö­tet. Das größ­te Ver­kehrs­hin­der­nis waren die abends unbe­leuch­te­ten Trak­to­ren in der Tür­kei, dann auch die Über­hol­ma­nö­ver der tür­ki­schen Bus­fah­rer und ihre urplötz­li­chen Stopps. Der Urlaubs­ver­kehr auf dem Auto­put führ­te auf jeder Tour zu dra­ma­ti­schen Situa­tio­nen: typisch war der Tür­ke im Gebraucht­wa­gen-Ford, innen voll­ge­stopft mit Men­schen und Mate­ri­al und auf dem Gepäck­trä­ger noch­mals einen hal­ben Haus­halt. Eben­so waren gewiss auch Über­mü­dung und Stress der Fern­fah­rer Grün­de für Unfäl­le. West­eu­ro­päi­sche Last­wa­gen hat­ten nur einen Fah­rer, wäh­rend die bul­ga­ri­schen Last­wa­gen oft mit zwei Fah­rern unter­wegs waren. Sie fuh­ren stets ihre strik­ten 70 km/h, wäh­rend die West­eu­ro­pä­er ihren Pfer­den auf guten Stra­ßen frei­en Lauf lie­ßen. Daher wur­den die West­eu­ro­pä­er von der tür­ki­schen Poli­zei weit mehr kon­trol­liert als die Kol­le­gen aus dem Osten, zudem wuss­ten die Poli­zis­ten natür­lich, dass der west­eu­ro­päi­sche Fah­rer mehr Geld und weni­ger Zeit hat­te als der bul­ga­ri­sche.
Nor­ma­ler­wei­se fuhr man die Tour bis Istan­bul allein, traf dort Kol­le­gen und schloss sich zu locke­ren Kon­vois zusam­men. Dies auch für die Rück­fahrt. In der Ost­tür­kei muss­te zeit­wei­se – auf­grund der Kur­den­auf­stän­de – im Kon­voi gefah­ren wer­den. Damas­kus durf­te nur nachts und im Kon­voi durch­quert wer­den. Beson­ders in der Ost­tür­kei brach­te das Über­nach­ten auf Park­plät­zen die Gefahr mög­li­cher Dieb­stäh­le. Daher errich­te­te die bul­ga­ri­sche Staats­trans­port­fir­ma ein paar umzäun­te Camps namens Bal­kan­trans­port, in denen der Last­wa­gen nachts etwas siche­rer par­kiert wer­den konn­ten. Die Restau­rants der Bul­ga­ren­camps jedoch waren dürf­tig und unge­heizt. Opfer der Nah­ost­fahr­ten waren auch ganz ande­re: näm­lich die Ehe­frau­en und Freun­din­nen. Sehr, sehr vie­le Bezie­hun­gen gin­gen durch die lan­gen Abwe­sen­hei­ten der Chauf­feu­re zu Brü­che. Opfer der Last­wa­gen waren auch die ana­to­li­schen Dör­fer, die fast ganz­tä­gig von Staub­wol­ken umhüllt waren.
Natür­lich hat eine gro­ße Anzahl Leu­te von die­sem Boom pro­fi­tiert. Da waren die Zöll­ner und die Deklar­eu­re, die sich gern bezah­len lie­ßen – ob zu Recht oder als Erpres­sung. Auch die Poli­zis­ten ent­lang der Rou­te ent­deck­ten bald eine gute Ein­nah­me­quel­le, eben­so wie die Mäd­chen auf der leich­te­ren Sei­te des Lebens. Unklar ist, was die Staa­ten mit den zum Teil hor­ren­den Tran­sit­ge­büh­ren mach­ten. Hat die Tür­kei damit ihr Stra­ßen­netz ver­bes­sert?
Last­wa­gen aus fast ganz Euro­pa fuh­ren damals (70er und 80er Jah­re) zu den Desti­na­tio­nen im Nahen Osten, die meis­ten stamm­ten wohl aus Deutsch­land, Öster­reich, Schweiz und Frank­reich. Aber auch Ita­li­en und die Nie­der­lan­de schick­ten gro­ße Last­wa­gen­flot­ten. Die Kon­kur­renz stamm­te aus dem dama­li­gen Ost­block: Bul­ga­ri­en, Jugo­sla­wi­en und Polen hat­ten rie­si­ge Staats­trans­port­fir­men, die oft­mals zu Dum­ping­prei­sen fuh­ren. Erst zöger­lich kamen auch tür­ki­sche und ira­ni­sche Spe­di­teu­re bis ins Zen­trum Euro­pas, um Fracht zu holen. Ende der 70er Jah­re gab es sogar ein afgha­ni­sches Trans­port­un­ter­neh­men namens Afghan, das mit sei­nen rot­blau­en Last­wa­gen bis in die Schweiz fuhr. Mit dem Ein­marsch der Rus­sen in Afgha­ni­stan (1978) war die­se Rou­te dann blo­ckiert.
Hygie­ne war damals kein gro­ßes The­ma. Duschen gab es nur an weni­gen Orten und so hat­ten vie­le Tru­cker eige­ne Vor­rich­tun­gen gebas­telt, um unter frei­em Him­mel ab und zu mal eine Dusche zu neh­men. Jeder hat­te immer einen reich­li­chen Vor­rat an Was­ser mit dabei – für sich und für den Küh­ler. Ein wirk­lich brauch­ba­res ‚Ori­ent-Fah­rer­haus’ kam nie auf den Markt. Daher rich­te­te jeder sei­ne Fah­rer­ka­bi­ne nach eige­nem Geschmack ein. Die meis­ten Ori­ent­last­wa­gen hat­ten eine Schlaf­ko­je, oft auch einen Kühl­schrank, aber kaum je eine Kli­ma­an­la­ge. In den gro­ßen Ölkri­sen­jah­ren Mit­te der 70er Jah­re fuh­ren sogar umge­bau­te Kip­per mit kur­zer Kabi­ne in den Ori­ent: Der Fah­rer schlief irgend­wie auf den bei­den Sit­zen. So ziem­lich alle Fahr­zeu­ge hat­ten eine Koch­kis­te unter dem Auf­lie­ger mon­tiert: auf­klap­pen und mit Cam­ping­gas eine Mahl­zeit kochen. Sie bestand im Wesent­li­chen aus Kon­ser­ven und Teig­wa­ren. Unter­wegs konn­te man zwar Melo­nen und Früch­te kau­fen, auch Brot und Eier. Kaum jemand aber ver­kös­tig­te sich unter­wegs aus­schließ­lich in den Restau­rants. Trotz­dem wur­den ein paar Rast­plät­ze sehr bekannt. So gab es die ‚abge­säg­ten Bäu­me’ und die ‚ver­senk­ten Tische’ in Bul­ga­ri­en, es gab den Leh­rer in der Ost­tür­kei, der in sei­nem ‚Restau­rant’ nur Spie­gel­eier ser­vier­te. Alle alten Ori­ent­fah­rer ken­nen das Lon­dra Camp, den wohl wich­tigs­ten Etap­pen­ort auf der Ori­ent­rou­te vor und nach der Eröff­nung der Bos­po­rus­brü­cke in Istan­bul (1975).
Gegen Ende der 80er Jah­re war die­ser Trans­port­boom dann vor­bei. Denn Schif­fe brach­ten die Fracht erneut in den Nahen Osten, der Kauf­rausch der Ori­en­ta­len war abge­flacht und die west­eu­ro­päi­schen Trans­por­teu­re waren schlicht zu teu­er gegen­über der Kon­kur­renz aus der Tür­kei. Es mag ab 2000 noch ab und zu einen Trans­port in den Nahen Osten gege­ben haben, aus­ge­führt von einem west­eu­ro­päi­schen Trans­por­teur, aber den eins­ti­gen Ori­ent­ver­kehr gibt es nicht mehr.


Franz Sta­del­mann, Basel / Schweiz

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Veröffentlicht unter Reisen

Ärzte ohne Grenzen

Spie­gel und Han­dels­blatt fei­ern ein Start-up, dass mit­tels Apps Deutsch­land aus dem Mit­tel­al­ter in die digi­ta­le Neu­zeit kata­pul­tie­ren soll.

Das ist genau­so lächer­lich, als wür­de ein Infor­ma­ti­ker eine Haus­arzt­pra­xis auf­ma­chen, weil er selbst gele­gent­lich sei­ne Weh­weh­chen erfolg­reich the­ra­piert hat — mit dem Unter­schied, dass Geset­ze und Stan­des­ord­nung das nicht zulas­sen. Die­sen Ärz­ten soll­te man Gren­zen zie­hen und sie anhal­ten, das zu tun, wofür sie aus­ge­bil­det sind und nicht die Welt mit Apps zu beglü­cken, die indus­tri­el­len Maß­stä­ben von Ergo­no­mie, Daten­schutz und Daten­si­cher­heit, Soft­ware­de­sign, Schnitt­stel­len- und API-Design ein­fach in kei­ner Wei­se standhalten. 

Kar­dio­lo­gen schei­nen für die­se Art von Hybris gene­tisch anfäl­lig zu sein, die sie glau­ben lässt, sie wäre zu allem befä­higt, weil sie Ärz­te sind. Lei­der gibt es bereits meh­re­re Ärz­te, die mit ihren Lösun­gen durch die Lan­de tin­geln und den einen oder ande­ren Kli­nik­chef davon über­zeu­gen, gegen den erbit­ter­ten Wider­stand (oder ohne die Kennt­nis) der IT-Abtei­lung, die die­se Soft­ware war­ten und Anwen­der bei deren Bedie­nung unter­stüt­zen muss. 

Der Mythos der Gara­gen­fir­men, aus denen mil­li­ar­den­schwe­re Soft­ware­un­ter­neh­men ent­stan­den sind, ist zum Teil so miss­ver­stan­den wor­den, dass jeder Besit­zer einer Gara­ge eine Soft­ware­fir­ma grün­den und groß machen kann. Aus­schlag­ge­bend war in allen Fäl­len jedoch nicht die Gara­ge, son­dern unter­neh­me­ri­scher Geist und eben die tech­ni­sche Aus­bil­dung, die­se Din­ge zu tun.

Durch das Kran­ken­haus­zu­kunfts­ge­setz wird aktu­ell mas­siv Geld in das Sys­tem gepumpt. Das hat Gei­er und Blen­der auf den Plan geru­fen, die ihre Berech­ti­gung dar­aus bezie­hen, dass sie wis­sen, wie man die Ver­wal­tung für dumm ver­kau­fen und bezir­zen muss, um an die­se För­der­töp­fe zu kom­men. Aus­ge­ge­ben wird das Geld danach, wer als Anbie­ter sich recht­zei­tig in die Pole-Posi­ti­on gebracht hat und was ins Bud­get passt. Einen Mas­ter­plan, wie das Zusam­men­ge­kauf­te (oft nur Vapor­wa­re, von der ein schi­cker Mock-Up exis­tiert) zusam­men­spie­len soll, ist weder Vor­aus­set­zung noch in den Bera­tungs­leis­tun­gen ein­ge­schlos­sen (war­um soll­te man auch etwas tun, wofür es kein Geld gibt). Somit ist das Kran­ken­haus­zu­kunfts­ge­setz ein schö­nes Bei­spiel von einem nai­ven guten Vor­satz, der am Ende nur dazu führt, dass Steu­er­geld unters Volk kommt. Denn des­sen kön­nen wir gewiss sein: das Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer.

Mietendeckel-„Irrsinn”?

Das Deut­sche Insti­tut für Wirt­schafts­for­schung (DIW) ist „in Sor­ge” über die Aus­wir­kun­gen des Ber­li­ner Mie­ten­de­ckels, Leser des Tages­spie­gels sehen Ber­lin von Sozia­lis­ten regiert. Der Tages­spie­gel macht rich­tig Stimmung.

Der Mie­ten­de­ckel nimmt vie­len die Sor­ge um die Bezahl­bar­keit des eige­nen Wohn­raums — wenigs­tens für eine über­schau­ba­re Zeit.

Ange­bot an Woh­nun­gen hal­biert” — „Mie­ten­de­ckel hat dra­ma­ti­sche Auswirkungen” 

Sicher kann man fest­hal­ten, dass vie­le Ber­li­ner erheb­lich weni­ger Mie­te zah­len als vor dem Mie­ten­de­ckel. Obwohl die Zah­len nicht rich­tig belast­bar sind, über­rascht das Momen­tum der Maß­nah­me offen­bar selbst deren Urhe­ber. Wegen der aus­ste­hen­den Gerichts­ent­schei­dung über die Recht­mä­ßig­keit der Maß­nah­me geben vie­le das Gespar­te noch nicht aus, son­dern legen es als Sicher­heit auf die hohe Kante. 

Weg ist das Geld nicht — es hat eben nur jemand ande­res, und das ist gut so. 

Ange­bot hal­biert? Da reibt man sich Augen: steht die Hälf­te der Woh­nun­gen leer? Nein, auch wenn das gele­gent­lich öffent­lich­keits­wirk­sam behaup­tet wird — durch den Mie­ten­de­ckel wird es nicht attrak­ti­ver, Wohn­raum leer­ste­hen zu lassen.

Hohe Mie­ten waren bis­her für vie­le ein Grund, umzu­zie­hen und haben damit auf dem Woh­nungs­markt für Bewe­gung gesorgt. Jeder Mie­ter fragt sich regel­mä­ßig, ob er monat­lich ein Drit­tel bis die Hälf­te sei­nes ver­füg­ba­ren Ein­kom­mens dafür auf­brin­gen will, dass er oder sie ein Dach über dem Kopf hat. Die Begü­ter­ten bau­en oder kau­fen selbst, die weni­ger Begü­ter­ten schau­en, ob man nicht woan­ders für weni­ger Geld mehr Wohn­qua­li­tät bekommt. Zah­lungs­kräf­ti­ge­re Bewer­ber rücken nach. Hohe Mie­ten hal­ten auf die­se Wei­se ein unpro­duk­ti­ves Umzugs- und Ver­drän­gungs­ka­rus­sell am Lau­fen. Wenn das Karus­sell sich lang­sa­mer dreht, ist das Ange­bot nicht mehr so groß — das ist wahr, es bedeu­tet aber auch, dass die Ver­drän­gung von nicht so zah­lungs­kräf­ti­gen Mie­tern aus attrak­ti­ven Wohn­la­gen, bekannt als Gen­tri­fi­zie­rung, an Tem­po verliert.

Ich beken­ne, dass ich selbst Wohn­raum ver­mie­te, übri­gens zu einem erheb­lich gerin­ge­ren Preis als vor dem Mie­ten­de­ckel. Obwohl ich also Ein­bu­ßen habe, bin ich mit der gesetz­li­chen Schaum­brem­se für den über­hitz­ten Woh­nungs­markt ein­ver­stan­den. Die Sor­ge um die Bezahl­bar­keit der eige­nen Woh­nung ist durch die Maß­nah­me vie­len genom­men wor­den, das ist gut so.