Ein großer Teil dieser Webseite besteht aus dem taz-Blog von Paula Z. (die ganz anders heißt, wie ich inzwischen weiß) über ihre Reise von Norddeutschland nach Nepal über Land mit einer Hippietruppe in einem Mercedes-Transporter D608 im Jahr 1977.
Hippietruppe meine ich ganz respektvoll, auch wenn es vielleicht nicht genau trifft.
Es ist viele Jahre her, dass ich diesen Reisebericht zum ersten Mal gelesen habe und nicht aufhören konnte, bis er — irgendwie — endet. Es ist eine der Geschichten, bei denen man immer mehr wissen will und eigentlich gar nicht möchte, dass es zu Ende geht.
Die taz hat ihre Blogseite irgendwann umgestellt und die alten Blogs dabei entsorgt. Darüber war ich sehr traurig und fand, die taz könnte mit ihren Inhalten verantwortungsbewusster umgehen, aber sei’s drum, es war ja geschehen. Zum Glück hatte ich vorher einen Abzug von Paulas Reisebericht gemacht und habe das in meinen WordPress-Blog (diesen hier) übernommen.
Wiederum viele Jahre danach schrieb mir zu meiner grenzenlosen Überraschung die Autorin des Reiseberichts und lüftete ihr Pseudonym. Wir tauschten einige E‑Mails aus. Dann entdeckte Eva, wie Paula eigentlich heißt, dass ein Kapitel mittendrin fehlt und schickte mir die fehlenden Bilder und den Text. Jetzt ist diese Lücke geschlossen.
In der zehnten Klasse unternahmen wir eine Fahrradtour durch Schleswig-Holstein, eine Klassenfahrt.
An Ende blieben uns zwei Tagein der Jugendherberge in Mölln, der Eulenspiegelstadt. Dort entspannen sich schnell Bekanntschaften mit den anderen Jugendherbergsgästen. Es entstand die Idee für ein kurzes Drama über häusliche Pflichten, Motorradfahren, (fehlende) Leidenschaft etc. Ich hatte mit meiner Super-8-Kamera bereits unsere Tour festgehalten. Es war aber noch Filmmaterial übrig, um die Geschichte in einen kleinen Film umzusetzen.
Ein gerechter Frieden, aus dem alle Parteien erhobenen Hauptes hervorgehen und der absolute Verzicht auf Gewalt zur Durchsetzung von Gebietsansprüchen könnte dazu führen, dass auch Ukraine und Russland sich am Ende des Konflikts die Hände reichen. Ja, das ist vorstellbar, trotz aller Verletzungen und Opfer, die die Ukraine erdulden musste, und trotz des Wunsches nach Vergeltung für die russischen Soldaten, die in diesem Krieg gefallen sind, den die Verwandten der russischen Gefallenen zwar irrational, aber trotzdem irgendwie verständlich hegen.
Leider gibt es Kriegstreiber wie den ukrainischen Botschafter in Deutschland, der genüsslich verkündet, dass die Ukraine sich auch nach einem Friedensschluss natürlich die Krim zurückholen würde, sobald Russland irgendwie Schwäche zeigt.
Allerdings hat auch Deutschland 25 Jahre gebraucht, um zu akzeptieren, dass die Gebiete „jenseits von Oder und Neiße” nie wieder Teil eines deutschen Staates werden. (Natürlich hatte Deutschland diese Gebiete in einem von ihm angezettelten Angriffskrieg verloren, gerechterweise sozusagen, während der Donbaz und die Krim der Ukraine durch einen Angriff auf ihrem eigenen Territorium rechtswidrig weggenommen wurden, wodurch der Vergleich hinkt).
Versöhnung mit Putin?
Putin vereinigt das russische Volk hinter sich (und auch viele Russen und andere Menschen im Ausland) durch sein Narrativ, Russland stände alleine gegen den Rest der Welt, nur aus dem einen Grund, weil der Westen Russland wirtschaftlich und militärisch vernichten und unterwerfen will.
Dagegen steht das Narrativ des Westens, dass man nicht gegen Russland kämpft, sondern einer befreundeten Nation hilft, die von Russland unrechtmäßig auf dem eigenen Territorium angegriffen wurde. Diese Begründung für alle Hilfe des Westens für die Ukraine wird leider nicht im Entferntesten so einstimmig vorgebracht wie die russische Propaganda. Das schadet ihrer Glaubwürdigkeit.
Der erste Schritt von diesem Weg war bereits mit dem Satz des amerikanischen Präsidenten Biden gemacht, der auf Putin gemünzt sagte „Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben.“ Leider fügte er nicht hinzu „… wenn es zwischen Russland und Ukraine Frieden geben soll”, was das eigentliche Ziel des Beistands für die Ukraine wieder in den Mittelpunkt gerückt hätte. Auf diese Weise entstand der Eindruck, die Amerikaner verfolgten eine Destabilisierung Russlands und den Sturz seiner Administration mit Wirtschaftssanktionen und durch die Verlängerung des Ukrainekriegs als primäres Ziel, um … ja spätestens hier muss man sich ja fragen, welchen Grund die Amerikaner dazu haben sollten, außer einem tief verwurzelten Hass gegen alles, das aus dem Osten kommt (außer chinesischen T‑Shirts).
Als Nächstes sagte der unglückliche amerikanische Verteidigungsminister Austin, die Ukraine könne gewinnen, „wenn sie die richtige Ausrüstung und die richtige Unterstützung“ habe. Gewinnen und Russland unterwerfen — hat er das gemeint? Das ist absurd, wird aber natürlich gerne als Bedrohungsszenario zur Rechtfertigung der immer drastischeren russischen Kriegsführung aufgegriffen.
Zwar ist Austin nur Verteidigungs‑, nicht Außenminister, aber etwas Nachdenken über ein Ende des Krieges hätte auch ihm nicht geschadet, bevor er sich öffentlich äußert. Dann hätte er gewusst, dass eine Rückkehr zum Status quo ante, den Grenzen vom 23. Februar 2022 bei einer einvernehmlichen Regelung über die Administration der Gebiete unter russischer Besatzung und ein Korridor unter russischer Hoheit zwischen Donbaz und Krim (der fast zwingend die Stadt Mariupol einschließt) realistisch das Beste ist, das eine Friedenslösung erreichen könnte.
Wir müssen uns gegen die Kräfte wehren, die sich die Zerstörung Russlands auf die Fahnen schreiben, vor allem dann, wenn sie es als offizielle Haltung einer Regierung zum Ausdruck bringen, wie es in den USA, Großbritannien und leider auch gelegentlich auf ukrainischer Seite passiert.
Eine Erbfeindschaft, wie sie zu Kaiserzeiten zwischen Deutschland und Frankreich gepflegt wurde, um damit bei jeder passenden Gelegenheit einen Krieg vom Zaun zu brechen, ist anachronistisch, nicht nur, weil Kriege heute gefährlicher sind als je zuvor, sondern auch, weil sie keinen Raum für die Beendigung der Feindseligkeiten lassen.
Neulich sprach ich mit meinem Sohn Robin über Wege aus dem Pflegenotstand. Seine Mutter ist Pflegekraft, also sind wir gewissermaßen Betroffene. Durch meine Arbeit im Betriebsrat eines Krankenhauses und die damit verbundenen, vielen Gespräche habe ich etwas Einsicht in die Probleme gewonnen.
Anders als viele annehmen, ist Geld nicht das primäre Problem. Pflegekräfte auf einer Intensivstation verdienen relativ gut, abhängig vom Arbeitgeber, vor allem, wenn sie einige Jahre Berufserfahrung haben. Bei den Kollegen auf den peripheren Stationen ist sicher mehr Luft nach oben.
Zwei Dinge würden meines Erachtens wirklich helfen, die bisher überhaupt nicht oder nicht ausreichend thematisiert wurden.
Das Berufsbild muss sich so ändern, dass dem Pflegeberuf mehr Verantwortung und mehr Handlungsoptionen übertragen werden. Die Ausbildung muss entsprechend angepasst werden, sodass Pflegekräfte auf Augenhöhe mit den behandelnden Ärzten in der Behandlung der Patienten zusammenarbeiten können, wie es in anderen Ländern üblich ist. In manchen Kliniken ist das bereits der Fall, aber noch nicht ausreichend. Durch die Aufwertung des Berufsbildes wird der Beruf attraktiver für junge Leute, was wiederum mittelfristig zu mehr Berufsanfängern führt. Die Reihen könnten sich so in ein paar Jahren wieder füllen.
Zweitens muss man einsehen, dass nicht alle einen Beruf, der körperlich und psychisch so anstrengend ist, bis zum Rentenalter ausüben können. Im Moment sieht man das besonders deutlich, weil es mehr ältere Pflegekräfte als junge gibt. Das ist Demografie und nicht zu ändern.
Ältere Pflegekräfte berichten, dass die Arbeitsteilung früher besser funktioniert hat als heute. Körperlich schwere Arbeiten haben eher die jungen Pflegekräfte übernommen und man konnte jemanden dazu rufen, wenn Not am Mann war. Pflegekräfte über 50 wurden vielfach nicht mehr oder zu weniger Nachtdiensten herangezogen, wie es der Arbeitsschutz empfiehlt. Das alles ist durch Demografie und die knappen Besetzungen der Dienste nicht mehr möglich. Hier muss eine Perspektive geschaffen werden, die es erlaubt, früher auszusteigen oder in weniger belastende Tätigkeiten zu wechseln.
Von Fluglotsen und Piloten sind solche Modelle bekannt. Bei den Pflegekräften geht es um ein paar Nasen mehr, hier muss mehr Geld in die gesetzliche Alterssicherung fließen (nicht nur in die Taschen der Betroffenen), um einen früheren Einstieg in die Regelaltersrente ohne Abschläge zu ermöglichen, denn es gibt nicht für alle Älteren weniger belastende Tätigkeiten, in die sie wechseln könnten. Selbst viele junge Leute können sich heute nicht vorstellen, den Pflegeberuf bis zur Regelaltersgrenze auszuüben. Unter der Belastung reduzieren viele ihren Arbeitszeitanteil und gehen mit weniger Geld nach Hause — und da geht es nicht um die viel beschworene Work-Life-Balance! Das Licht am Ende des Tunnels ist einfach zu weit weg.
Im Betriebsrat in dem Krankenhaus, in dem ich zur Zeit arbeite, gerieten wir kürzlich wieder einmal in eine heftige Debatte über die Gründe für den Mangel an Pflegekräften und über Möglichkeiten, diesen Mangel zu beseitigen. Ausgelöst wurde sie durch eine Mitbestimmungsanzeige für zwei Pflegekräfte aus Bosnien-Herzegowina, die auf der Intensivstation die Arbeit aufnehmen sollten.
Im Grunde genommen ist die gegenwärtige Gewinnung von Pflegekräften — wie im übrigen schon seit langem — unethisch, weil sie auf Kannibalisierung beruht. Es ist ein gutes Zeichen, dass es uns wütend macht, denn es ist falsch und muss bekämpft werden.
Die Kannibalisierung geht national und international vonstatten. Es ist nämlich kein Zeichen von wunderbarer internationaler Zusammenarbeit, dass man die Grenze zu Tschechien nicht schließen kann, weil dann in Bayern Ärzte und Pflegekräfte fehlen (und Arbeitskräfte bei Autobauern und ‑zulieferern), sondern eine aggressive und zerstörerische Ausbeutung der Ressourcen unserer europäischen Nachbarn. Hat sich denn nie jemand gefragt, wer in Serbien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, in Tschechien und in Polen — um nur ein paar Beispiele zu nennen — kranke Menschen behandelt und pflegt? Wie diese Länder es verkraften, dass die Menschen ihnen den Rücken kehren, sobald sie gut ausgebildet sind? Was das für die Zukunft dieser Länder bedeutet? Offenbar haben wir uns so sehr an diesen sehr einseitigen „Austausch” gewöhnt, dass wir nichts Anrüchiges daran finden können. War das nicht immer schon so? Kommen Krankenschwestern nicht schon immer von weit her, aus Vietnam und aus Polen? Hat man sich nicht mittlerweile daran gewöhnt, dass der Arzt den Patienten nicht gut versteht, weil er dessen Sprache nur lückenhaft spricht?
Es gibt viele Gründe, mit der Einwanderungspolitik und der Asylgewährung hierzulande unzufrieden zu sein. Das größte Unbehagen bereitet mir die fehlende Bestimmtheit bei den Verfahren, die regeln, wer bleiben darf und wer gehen muss.
Die Entscheidung über ein Asylgesuch und über das Bleiberecht, wenn keine formalen Asylgründe vorliegen, wird in der Bundesrepublik weitgehend in einer rechtlichen Grauzone nach persönlichem Ermessen von Sachbearbeitern getroffen. Der Rechtsweg steht zwar grundsätzlich jedem offen, dessen Ersuchen abschlägig beschieden wird. Aber ein schlechtes Verfahren wird nicht besser, weil ein Richter es überprüfen kann. Im Gegenteil, auch der Richter stützt sich bei seiner Entscheidung auch auf die im Asylverfahren erhobenen Erkenntnisse und kommt daher fast zwingend zum gleichen Ergebnis.
Ein Problem dabei, von dem immer wieder berichtet wird, sind die Dolmetscher, die großen Einfluss darauf haben, was in den Akten festgehalten wird. Wenn der Übersetzer aber aus ethnischen oder religiösen Gründen, oder weil er einfach dem Herkunftsstaat gegenüber loyal ist, dem Asylsuchenden nicht wohlgesonnen ist, kann er dessen Einlassungen verfärben oder verfälschen, ohne dass das leicht zu entdecken ist. Das geschieht tagtäglich, nicht nur in Einzelfällen.
Asylsuchende erleben die Prüfung ihres Antrags oft als einen Akt der Willkür und die Obrigkeit als in ihrem Handeln ohne Regeln und Kontrolle von Gefälligkeiten und Gehässigkeiten gesteuert — nicht anders, als sie es oft aus ihrem Herkunftsland gewohnt sind. Die Bundesrepublik muss ihnen als Willkürstaat erscheinen, in dem Recht und Gesetz nicht präsent sind, was sich gelegentlich — ohne das entschuldigen zu wollen — auf die Compliance des Asylsuchenden überträgt.
Für Asylsuchende und für die Menschen im Lande ist es jedenfalls zermürbend, wenn Ausweisungen damit begründet werden, die Betroffenen seien „Gefährder und Straftäter”, ohne dass man sich dessen sicher sein kann, dass diese Einordnungen in jedem Einzelfall rechtsstaatlichen Kriterien genügt. So sind Zweifel begründet, dass nur solche Personen in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden, bei denen man bei verständiger Würdigung zu dem Ergebnis kommen muss, dass sie dem Asylland und seinen Bürgern Schaden zufügen werden. Wenn aber Menschen, die ihrem Gastland wohl gesonnen sind, durch die Rückführung in ihr Herkunftsland einem Risiko von Verfolgung, Folter und Tod ausgesetzt werden, so ist das besonders tragisch. Ob man im Gegenzug hinnehmen will, dass Personen einem solchen Risiko ausgesetzt werden, die dem Asylland schaden, ist ein weites Feld der Debatte, das schließlich in der Frage mündet, ob Leben und Gesundheit jedes Menschen hier und heute tatsächlich unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen.
Da es immer wieder um Leben und Gesundheit des einzelnen Asylsuchenden geht, besteht ein dringender Bedarf, das Asylverfahren rechtssicher durch Gesetze festzulegen und der Grauzone der Unsicherheit und des persönlichen Ermessens zu entreißen. Hierzu gehört auch die Festlegung, wann Personen hier bleiben dürfen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde. Rechtssicherheit in diesen wichtigen und kontrovers diskutierten Fragen ist sicher keine unbillige Erwartung gegenüber einem Rechtsstaat.
Die Verfahren zur Gewährung des ALGII kann man übrigens unbedenklich mit gleicher Elle messen, obwohl es da „nur” um staatliche Leistungen geht, nicht um Leben und Tod.
Eine typische Orienttour sah in den 70er Jahren so aus: Laden in Grenznähe (damals galten in der Schweiz noch 28 Tonnen Gesamtgewicht) oder Abholen der Ladung im europäischen Raum. Eröffnung der TIR-Dokumente beim Schweizer Zoll. Dann über die Grenze und los. Entweder über Italien oder via Österreich nach Zagreb und dann den Autoput hinunter über Belgrad nach Niš. Von dort über Bulgarien oder Thessaloniki nach Istanbul. Dort machte wohl jeder einen Halt im Londra Camp. Das war vor allem ein großer Parkplatz mit einem Restaurant, Telex und Telefon. Und weiter unten befand sich das Westberlin für die lauen Abendstunden. Später dann über den Bolu-Pass nach Ankara. Dort verzweigten sich die Wege. Geradeaus nach Teheran oder nach Süden bis Adana. Von dort runter nach Syrien und durch Jordanien in den Westen Saudi-Arabiens. Oder von Adana auf einer endlos langen Schotterpiste durch die Südosttürkei und hinein in den Irak. Von Bagdad vielleicht weiter nach Basra und Kuwait oder sogar noch weiter bis in den Osten von Saudi-Arabien. Nur äußerst selten gab es Transporte nach Afghanistan, Pakistan und in die Emirate. Eine typische Tour dauerte 3 Wochen. Schweiz – Teheran und zurück waren 10.000 km und die lange Tour nach Saudi-Arabien konnte bis 16.000 km ausmachen. Der jugoslawische Autoput bestand aus Betonelementen, sodass der Lastwagen alle 50 Meter wie bei der Eisenbahn nickte. Dieses eintönige und einschläfernde Geräusch mag einer der Gründe für die vielen Unfälle entlang des Autoputs gewesen sein. Die Straße bis Ankara war von fußtiefen Schlaglöchern abgesehen tolerabel. Doch dahinter war nur noch eine endlose Wellblechpiste bis zur Grenze zum Iran. Zwischen Ankara und Adana führte eine mickrige Straße über den Taurus-Pass, in dessen tiefen Schluchten und engen Kurven viele Unfälle geschahen. Im Iran, Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien waren die Straßen tadellos. Dies verlockte zu hohen Geschwindigkeiten, die oft in Konflikt mit querenden Kamelen und Eseln kamen. Doch noch bis in die 80er Jahre war die direkte Route von Jordanien nach Riad eine einfache Sandpiste durch die Wüste entlang einer Pipeline. Von diesem Streckenabschnitt stammt wohl auch der damals häufig gebrauchte Begriff: ‚in den Sand hinunter fahren’, was bedeutete, eine Orienttour machen. Probleme gab’s natürlich an den Zollübergängen, die oft so verstopft waren, dass der Grenzübertritt einen bis mehrere Tage dauern konnte. Besonders die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei und jene zwischen der Türkei und dem Iran waren sehr oft üble Nadelöhre. Während des Schah-Sturzes und der Machtübernahme durch Khomeini (Ende 1978 und Beginn 1979) blieben rund 1000 Lastwagen zwischen der Türkei und dem Zollamt Bazargan (Iran) hängen, weil die Revolte gegen den Schah zu Streik und Aufruhr führte. Einzelne Fernfahrer harrten von November 78 bis Februar 79 in diesem unwirtlichen und bitterkalten Niemandsland aus. Am Bestimmungsort musste die Fracht verzollt werden, was zeitaufreibend war und oft nicht ohne selbsternannte Deklareure vonstatten ging. Besonders in Teheran war es üblich, bis zu einer Woche auf die Verzollung zu warten. In Bagdad mussten die Lastwagen rund 40 Kilometer westlich der Stadt quasi in der Wüste auf Verzollung und Entladen warten. Einzige Abwechslung war ein seichter Stausee 20 km westlich dieser Truckerstadt. Zurück fuhren die Lastwagen so gut wie immer in Leerfahrt. Die Tanks wurden besonders in Saudi-Arabien natürlich vollgetankt, viele Fahrzeuge hatten Dieseltanks von 1500 Litern unter dem Anhänger oder Auflieger. Das gab beim Eintritt in die Türkei oft erhebliche Probleme, die durch Diskussion und Geld geregelt wurden. Die Rückfahrt ließ sich meistens in einer knappen Woche machen. Viele Fahrer luden den Anhänger auf den Zugwagen, andere planten ihr Fahrzeug ab, um weniger Luftwiderstand zu haben, etliche wiederum fuhren nach dem Entladen sogleich los. Nach einer Orienttour waren die Reparaturen an den Fahrzeugen oft erheblich. Auch bei vorsichtiger und defensiver Fahrt gingen immer mal wieder Teile kaputt. Die Reparatur vor Ort war oft nicht möglich. Es gab defekte Lastwagen, die von Kollegen von Teheran bis zurück in die Schweiz geschleppt wurden. Gefährlich waren die Orienttransporte eigentlich nicht. Trotzdem verloren sehr viele Kollegen ihr Leben durch Unfälle, ein paar wurden auch ausgeraubt und getötet. Das größte Verkehrshindernis waren die abends unbeleuchteten Traktoren in der Türkei, dann auch die Überholmanöver der türkischen Busfahrer und ihre urplötzlichen Stopps. Der Urlaubsverkehr auf dem Autoput führte auf jeder Tour zu dramatischen Situationen: typisch war der Türke im Gebrauchtwagen-Ford, innen vollgestopft mit Menschen und Material und auf dem Gepäckträger nochmals einen halben Haushalt. Ebenso waren gewiss auch Übermüdung und Stress der Fernfahrer Gründe für Unfälle. Westeuropäische Lastwagen hatten nur einen Fahrer, während die bulgarischen Lastwagen oft mit zwei Fahrern unterwegs waren. Sie fuhren stets ihre strikten 70 km/h, während die Westeuropäer ihren Pferden auf guten Straßen freien Lauf ließen. Daher wurden die Westeuropäer von der türkischen Polizei weit mehr kontrolliert als die Kollegen aus dem Osten, zudem wussten die Polizisten natürlich, dass der westeuropäische Fahrer mehr Geld und weniger Zeit hatte als der bulgarische. Normalerweise fuhr man die Tour bis Istanbul allein, traf dort Kollegen und schloss sich zu lockeren Konvois zusammen. Dies auch für die Rückfahrt. In der Osttürkei musste zeitweise – aufgrund der Kurdenaufstände – im Konvoi gefahren werden. Damaskus durfte nur nachts und im Konvoi durchquert werden. Besonders in der Osttürkei brachte das Übernachten auf Parkplätzen die Gefahr möglicher Diebstähle. Daher errichtete die bulgarische Staatstransportfirma ein paar umzäunte Camps namens Balkantransport, in denen der Lastwagen nachts etwas sicherer parkiert werden konnten. Die Restaurants der Bulgarencamps jedoch waren dürftig und ungeheizt. Opfer der Nahostfahrten waren auch ganz andere: nämlich die Ehefrauen und Freundinnen. Sehr, sehr viele Beziehungen gingen durch die langen Abwesenheiten der Chauffeure zu Brüche. Opfer der Lastwagen waren auch die anatolischen Dörfer, die fast ganztägig von Staubwolken umhüllt waren. Natürlich hat eine große Anzahl Leute von diesem Boom profitiert. Da waren die Zöllner und die Deklareure, die sich gern bezahlen ließen – ob zu Recht oder als Erpressung. Auch die Polizisten entlang der Route entdeckten bald eine gute Einnahmequelle, ebenso wie die Mädchen auf der leichteren Seite des Lebens. Unklar ist, was die Staaten mit den zum Teil horrenden Transitgebühren machten. Hat die Türkei damit ihr Straßennetz verbessert? Lastwagen aus fast ganz Europa fuhren damals (70er und 80er Jahre) zu den Destinationen im Nahen Osten, die meisten stammten wohl aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Frankreich. Aber auch Italien und die Niederlande schickten große Lastwagenflotten. Die Konkurrenz stammte aus dem damaligen Ostblock: Bulgarien, Jugoslawien und Polen hatten riesige Staatstransportfirmen, die oftmals zu Dumpingpreisen fuhren. Erst zögerlich kamen auch türkische und iranische Spediteure bis ins Zentrum Europas, um Fracht zu holen. Ende der 70er Jahre gab es sogar ein afghanisches Transportunternehmen namens Afghan, das mit seinen rotblauen Lastwagen bis in die Schweiz fuhr. Mit dem Einmarsch der Russen in Afghanistan (1978) war diese Route dann blockiert. Hygiene war damals kein großes Thema. Duschen gab es nur an wenigen Orten und so hatten viele Trucker eigene Vorrichtungen gebastelt, um unter freiem Himmel ab und zu mal eine Dusche zu nehmen. Jeder hatte immer einen reichlichen Vorrat an Wasser mit dabei – für sich und für den Kühler. Ein wirklich brauchbares ‚Orient-Fahrerhaus’ kam nie auf den Markt. Daher richtete jeder seine Fahrerkabine nach eigenem Geschmack ein. Die meisten Orientlastwagen hatten eine Schlafkoje, oft auch einen Kühlschrank, aber kaum je eine Klimaanlage. In den großen Ölkrisenjahren Mitte der 70er Jahre fuhren sogar umgebaute Kipper mit kurzer Kabine in den Orient: Der Fahrer schlief irgendwie auf den beiden Sitzen. So ziemlich alle Fahrzeuge hatten eine Kochkiste unter dem Auflieger montiert: aufklappen und mit Campinggas eine Mahlzeit kochen. Sie bestand im Wesentlichen aus Konserven und Teigwaren. Unterwegs konnte man zwar Melonen und Früchte kaufen, auch Brot und Eier. Kaum jemand aber verköstigte sich unterwegs ausschließlich in den Restaurants. Trotzdem wurden ein paar Rastplätze sehr bekannt. So gab es die ‚abgesägten Bäume’ und die ‚versenkten Tische’ in Bulgarien, es gab den Lehrer in der Osttürkei, der in seinem ‚Restaurant’ nur Spiegeleier servierte. Alle alten Orientfahrer kennen das Londra Camp, den wohl wichtigsten Etappenort auf der Orientroute vor und nach der Eröffnung der Bosporusbrücke in Istanbul (1975). Gegen Ende der 80er Jahre war dieser Transportboom dann vorbei. Denn Schiffe brachten die Fracht erneut in den Nahen Osten, der Kaufrausch der Orientalen war abgeflacht und die westeuropäischen Transporteure waren schlicht zu teuer gegenüber der Konkurrenz aus der Türkei. Es mag ab 2000 noch ab und zu einen Transport in den Nahen Osten gegeben haben, ausgeführt von einem westeuropäischen Transporteur, aber den einstigen Orientverkehr gibt es nicht mehr.
Franz Stadelmann, Basel / Schweiz
Telefon: 061 332 19 27 (0041 61 332 19 27 von außerhalb der Schweiz) Mobil: 076 409 91 98 (0041 76 409 91 98 von außerhalb der Schweiz) eMail: franz.stadelmann@gmx.net
Spiegel und Handelsblatt feiern ein Start-up, dass mittels Apps Deutschland aus dem Mittelalter in die digitale Neuzeit katapultieren soll.
Das ist genauso lächerlich, als würde ein Informatiker eine Hausarztpraxis aufmachen, weil er selbst gelegentlich seine Wehwehchen erfolgreich therapiert hat — mit dem Unterschied, dass Gesetze und Standesordnung das nicht zulassen. Diesen Ärzten sollte man Grenzen ziehen und sie anhalten, das zu tun, wofür sie ausgebildet sind und nicht die Welt mit Apps zu beglücken, die industriellen Maßstäben von Ergonomie, Datenschutz und Datensicherheit, Softwaredesign, Schnittstellen- und API-Design einfach in keiner Weise standhalten.
Kardiologen scheinen für diese Art von Hybris genetisch anfällig zu sein, die sie glauben lässt, sie wäre zu allem befähigt, weil sie Ärzte sind. Leider gibt es bereits mehrere Ärzte, die mit ihren Lösungen durch die Lande tingeln und den einen oder anderen Klinikchef davon überzeugen, gegen den erbitterten Widerstand (oder ohne die Kenntnis) der IT-Abteilung, die diese Software warten und Anwender bei deren Bedienung unterstützen muss.
Der Mythos der Garagenfirmen, aus denen milliardenschwere Softwareunternehmen entstanden sind, ist zum Teil so missverstanden worden, dass jeder Besitzer einer Garage eine Softwarefirma gründen und groß machen kann. Ausschlaggebend war in allen Fällen jedoch nicht die Garage, sondern unternehmerischer Geist und eben die technische Ausbildung, diese Dinge zu tun.
Durch das Krankenhauszukunftsgesetz wird aktuell massiv Geld in das System gepumpt. Das hat Geier und Blender auf den Plan gerufen, die ihre Berechtigung daraus beziehen, dass sie wissen, wie man die Verwaltung für dumm verkaufen und bezirzen muss, um an diese Fördertöpfe zu kommen. Ausgegeben wird das Geld danach, wer als Anbieter sich rechtzeitig in die Pole-Position gebracht hat und was ins Budget passt. Einen Masterplan, wie das Zusammengekaufte (oft nur Vaporware, von der ein schicker Mock-Up existiert) zusammenspielen soll, ist weder Voraussetzung noch in den Beratungsleistungen eingeschlossen (warum sollte man auch etwas tun, wofür es kein Geld gibt). Somit ist das Krankenhauszukunftsgesetz ein schönes Beispiel von einem naiven guten Vorsatz, der am Ende nur dazu führt, dass Steuergeld unters Volk kommt. Denn dessen können wir gewiss sein: das Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer.
„Angebot an Wohnungen halbiert” — „Mietendeckel hat dramatische Auswirkungen”
Sicher kann man festhalten, dass viele Berliner erheblich weniger Miete zahlen als vor dem Mietendeckel. Obwohl die Zahlen nicht richtig belastbar sind, überrascht das Momentum der Maßnahme offenbar selbst deren Urheber. Wegen der ausstehenden Gerichtsentscheidung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme geben viele das Gesparte noch nicht aus, sondern legen es als Sicherheit auf die hohe Kante.
Weg ist das Geld nicht — es hat eben nur jemand anderes, und das ist gut so.
Angebot halbiert? Da reibt man sich Augen: steht die Hälfte der Wohnungen leer? Nein, auch wenn das gelegentlich öffentlichkeitswirksam behauptet wird — durch den Mietendeckel wird es nicht attraktiver, Wohnraum leerstehen zu lassen.
Hohe Mieten waren bisher für viele ein Grund, umzuziehen und haben damit auf dem Wohnungsmarkt für Bewegung gesorgt. Jeder Mieter fragt sich regelmäßig, ob er monatlich ein Drittel bis die Hälfte seines verfügbaren Einkommens dafür aufbringen will, dass er oder sie ein Dach über dem Kopf hat. Die Begüterten bauen oder kaufen selbst, die weniger Begüterten schauen, ob man nicht woanders für weniger Geld mehr Wohnqualität bekommt. Zahlungskräftigere Bewerber rücken nach. Hohe Mieten halten auf diese Weise ein unproduktives Umzugs- und Verdrängungskarussell am Laufen. Wenn das Karussell sich langsamer dreht, ist das Angebot nicht mehr so groß — das ist wahr, es bedeutet aber auch, dass die Verdrängung von nicht so zahlungskräftigen Mietern aus attraktiven Wohnlagen, bekannt als Gentrifizierung, an Tempo verliert.
Ich bekenne, dass ich selbst Wohnraum vermiete, übrigens zu einem erheblich geringeren Preis als vor dem Mietendeckel. Obwohl ich also Einbußen habe, bin ich mit der gesetzlichen Schaumbremse für den überhitzten Wohnungsmarkt einverstanden. Die Sorge um die Bezahlbarkeit der eigenen Wohnung ist durch die Maßnahme vielen genommen worden, das ist gut so.