19. August
Als ich am Morgen aufwache, ist meine Unterlippe auf der linken Seite ganz taub und auf etwa das Doppelte angeschwollen.
Offenbar habe ich mir im Schlaf irgendein Insekt vom Mund gewischt, wahrscheinlich eine der großen schwarzen Ameisen, die hier am Strand unterwegs sind, und das Ding hat mich gebissen.
Eigentlich nicht weiter dramatisch, abgesehen davon, dass mir beim Trinken dauernd die Hälfte der Flüssigkeit wieder aus dem Mund raus und übers Kinn läuft. Außerdem sehe ich offenbar urkomisch aus mit meiner schiefen „dicken Lippe”, denn selbst Anna, der vermutlich mitfühlendste Mensch unserer Reisegruppe, kann sich ein leises Kichern nicht verkneifen, als ich mich zur Frühstücks-Runde geselle.
Trotzdem – ich habe zum ersten Mal seit Hamburg richtig gut geschlafen und fühle mich wundervoll erholt, und den Anderen geht es ebenso.
Es gibt daher nicht den geringsten Widerspruch, als Rolf erklärt, wir würden noch eine weitere Nacht hier verbringen.
Auch unser zweiter Tag am Strand vergeht mit Baden und Faulenzen.
Am späten Nachmittag brechen Inge, Rosi, Agnes und ich zu einer kleinen Wanderung ostwärts auf, wo es nach Rolfs Aussage ein Restaurant geben soll.
Die Zurückbleibenden wollen sich Reis mit Miso und Gemüse kochen, aber uns reizt die Vorstellung eines griechischen Essens mit frischem Salat und Wein mehr. Tatsächlich erreichen wir nach zehn Minuten eine Art Strand-Bar, wo auch ein paar einfache Gerichte angeboten werden. Wir bestellen Souvlaki, und Inge, Rosi und ich teilen uns dazu eine große Flasche Rotwein.
Agnes versucht, sich einen Pfefferminztee zu bestellen, kapituliert aber irgendwann angesichts der Unmöglichkeit, dem freundlich lächelnden Kellner dieses Ansinnen mit Mimik und Gestik zu vermitteln, und ordert resigniert eine Fanta. Der Kellner nickt verständnisvoll – und bringt ihr eine Limonade aus heimischer Produktion, die so quietschorange ist, dass Rosi vermutet, sie müsste im Dunkeln leuchten. Das sonderbar aussehende Getränk inspiriert uns zu den wildesten Spekulationen hinsichtlich der Inhaltsstoffe, und sogar Agnes, die es mit Todesverachtung durch ihren Strohhalm schlürft, beteiligt sich an unseren Albernheiten.
Als wir uns in der Dämmerung auf den Rückweg machen, sind wir – abgesehen natürlich von Agnes – ziemlich angesäuselt.
Heute klopfe und schüttele ich meinen Schlafsack besonders gründlich aus, bevor ich hineinkrieche und fast augenblicklich einschlafe.