Die­ses Dreh­buch hät­te etwas mehr kri­ti­sche Beglei­tung gebrau­chen kön­nen. Ich hat­te im DDR-Fern­se­hen einen Agen­ten­film gese­hen und fand es irgend­wie put­zig, wie hier die ande­re Sei­te der James-Bond-Fil­me erzählt wur­de, die ich schon kann­te. Drol­lig erschien mir die mora­li­sche Über­frach­tung der Geschich­te — als ob ein Film die Über­le­gen­heit eines poli­ti­schen Sys­tems bewei­sen könn­te. Bru­der Leicht­fuß James Bond war da schon locke­rer und mir gefiel die kari­ka­tu­ren­haf­te Über­spit­zung der Cha­rak­te­re. Für mich war der Sub­text, das es genau so gut anders­her­um sein könn­te, dass die Kom­mu­nis­ten viel­leicht die Guten und die west­li­chen Geheim­diens­te die Bösen sind. Wie es sich tat­säch­lich ver­hält, konn­te ich auf die­se Wei­se nicht her­aus­fin­den, und eigent­lich beschäf­tig­te mich das Kon­zept der Wahr­heit nicht lan­ge. Schließ­lich war es offen­sicht­lich, dass es nie­man­dem frei­stand, die Sei­ten zu wechseln.

Dar­auf­hin kon­stru­ier­te ich eine haar­sträu­ben­de und, wie ich dach­te, brül­lend komi­sche Sati­re über den Wes­ten, genau­er: über West­ber­lin aus der Sicht und im über­trie­be­nen Tenor der kom­mu­nis­ti­schen Pro­pa­gan­da. Sie soll­te von einem Obdach­lo­sen erzäh­len, der für ein medi­zi­ni­sches Expe­ri­ment von den Ame­ri­ka­nern ver­schleppt wird. Ihm soll das Gehirn eines töd­lich ver­letz­ten CIA-Agen­ten trans­plan­tiert wer­den, um die in die­sem Gehirn allein gespei­cher­ten Spio­na­ge­er­kennt­nis­se über den Tod des Agen­ten hin­aus zu kon­ser­vie­ren. Der Film beginnt mit eini­gen humo­ris­ti­schen Epi­so­den und nimmt einen epi­schen Ver­lauf (im Sin­ne von „gemäch­lich”, weni­ger von „groß­ar­tig”). Die wich­ti­gen Wen­dun­gen pas­sie­ren dann in weni­gen kur­zen Sequen­zen, die einem beim Zuschau­en lei­der leicht ent­ge­hen können.

Wir dreh­ten an eini­gen Wochen­en­den im Som­mer, Sonn­abend nach­mit­tags (vor­mit­tags war noch Schu­le) bis Sonn­tag abend bei zunächst herr­li­chem Son­nen­wet­ter. Wir hat­te viel Spaß beim Ver­klei­den und beim Beset­zen von öffent­li­chem Stra­ßen­land und öffent­li­chen Anla­gen für unse­re Zwe­cke. Den Dreh­ar­bei­ten fehl­te die durch­ge­hen­de Linie in dem glei­chen Maße wie dem Dreh­buch, so dass der wich­tigs­te Teil der Geschich­te, näm­lich der Schluss, noch nicht erzählt war, als vie­le Dar­stel­ler das Inter­es­se an dem Film ver­lo­ren. Auch das Wet­ter wur­de schlech­ter und als die ent­schei­den­de Sze­ne auf­ge­nom­men wer­den soll­te, näm­lich der Teil, in dem der Obdach­lo­se von einer bild­schö­nen Agen­tin über die Gren­ze in die DDR in Sicher­heit gebracht wird, reg­ne­te es in Strip­pen. Die meis­ten Akteu­re ver­bar­ri­ka­dier­ten sich am Dreh­ort in Wann­see in einem Auto und ver­schön­ten das Wet­ter mit einem Joint. Also began­nen wir not­ge­drun­gen mit ein paar Außen­auf­nah­men, für die wir die Akteu­re nicht brauchten.

Im unse­rem Eifer hat­ten wir über­se­hen, dass unser Dreh­ort für den Ver­kehr gesperrt war. Außer­dem hat­te ein Auto bei den Auf­nah­men die Rasen­an­saat am Stra­ßen­rand gründ­lich umge­pflügt. Trotz Regen geschah dann das Unwahr­schein­li­che: die Staats­macht in Gestalt eines Forst­amts­an­ge­stell­ten erschien (viel­leicht um zu kon­trol­lie­ren, wie schön der  Rasen bei dem Wet­ter wächst). Sein Ent­set­zen wich unge­brems­ter Wut, als er die Besche­rung sah. An eine Fort­set­zung der Dreh­ar­bei­ten war nicht zu den­ken. Das Auto mit unse­ren bekiff­ten Freu­den war glück­li­cher­wei­se ver­schwun­den. Wir ande­ren kehr­ten in unser Stand­quar­tier im Gemein­de­haus zurück, wo wir schon vie­le Sze­nen auf­ge­nom­men hat­ten. Wir saßen bedrückt zwi­schen Leuch­ten, Sta­ti­ven und Requi­si­ten, bis mei­ne Mut­ter mit einem gro­ßen Topf hei­ßer Sup­pe erschien. Nie­mand hat­te Lust, mit dem Film wei­ter­zu­ma­chen. Ich war ver­zwei­felt, weil ich nicht wuss­te, wie ich aus dem vor­han­de­nen Mate­ri­al einen Film machen sollte.

Mit mei­nem Freun­den Gun­domar Uebel und Chris­ti­an Kopp zusam­men säh­te ich an einem der nächs­ten Tage — nun wie­der bei strah­len­dem Son­nen­schein — neu­en Rasen. Dann mel­de­ten wir den Voll­zug auf dem Poli­zei­ab­schnitt in Wann­see, wor­auf­hin der Vor­gang nicht wei­ter ver­folgt wur­de. Für einen kur­zen Dreh konn­te ich die wich­tigs­ten Dar­stel­ler noch ein­mal zusam­men­brin­gen und wir impro­vi­sier­ten einen Schluss. Der Film blieb ein Frag­ment. Es war der letz­te Film mit Mar­ti­na und Jens, mit Chris­ti­na und der letz­te Film, den wir in der Mari­en­ge­mein­de dreh­ten. Ich bestand das Abitur, zog aus, hat­te eine Freun­din und mein Hori­zont wur­de ein­mal kom­plett ausgetauscht.

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