Neulich sprach ich mit meinem Sohn Robin über Wege aus dem Pflegenotstand. Seine Mutter ist Pflegekraft, also sind wir gewissermaßen Betroffene. Durch meine Arbeit im Betriebsrat eines Krankenhauses und die damit verbundenen, vielen Gespräche habe ich etwas Einsicht in die Probleme gewonnen.
Anders als viele annehmen, ist Geld nicht das primäre Problem. Pflegekräfte auf einer Intensivstation verdienen relativ gut, abhängig vom Arbeitgeber, vor allem, wenn sie einige Jahre Berufserfahrung haben. Bei den Kollegen auf den peripheren Stationen ist sicher mehr Luft nach oben.
Zwei Dinge würden meines Erachtens wirklich helfen, die bisher überhaupt nicht oder nicht ausreichend thematisiert wurden.
Das Berufsbild muss sich so ändern, dass dem Pflegeberuf mehr Verantwortung und mehr Handlungsoptionen übertragen werden. Die Ausbildung muss entsprechend angepasst werden, sodass Pflegekräfte auf Augenhöhe mit den behandelnden Ärzten in der Behandlung der Patienten zusammenarbeiten können, wie es in anderen Ländern üblich ist. In manchen Kliniken ist das bereits der Fall, aber noch nicht ausreichend. Durch die Aufwertung des Berufsbildes wird der Beruf attraktiver für junge Leute, was wiederum mittelfristig zu mehr Berufsanfängern führt. Die Reihen könnten sich so in ein paar Jahren wieder füllen.
Zweitens muss man einsehen, dass nicht alle einen Beruf, der körperlich und psychisch so anstrengend ist, bis zum Rentenalter ausüben können. Im Moment sieht man das besonders deutlich, weil es mehr ältere Pflegekräfte als junge gibt. Das ist Demografie und nicht zu ändern.
Ältere Pflegekräfte berichten, dass die Arbeitsteilung früher besser funktioniert hat als heute. Körperlich schwere Arbeiten haben eher die jungen Pflegekräfte übernommen und man konnte jemanden dazu rufen, wenn Not am Mann war. Pflegekräfte über 50 wurden vielfach nicht mehr oder zu weniger Nachtdiensten herangezogen, wie es der Arbeitsschutz empfiehlt. Das alles ist durch Demografie und die knappen Besetzungen der Dienste nicht mehr möglich. Hier muss eine Perspektive geschaffen werden, die es erlaubt, früher auszusteigen oder in weniger belastende Tätigkeiten zu wechseln.
Von Fluglotsen und Piloten sind solche Modelle bekannt. Bei den Pflegekräften geht es um ein paar Nasen mehr, hier muss mehr Geld in die gesetzliche Alterssicherung fließen (nicht nur in die Taschen der Betroffenen), um einen früheren Einstieg in die Regelaltersrente ohne Abschläge zu ermöglichen, denn es gibt nicht für alle Älteren weniger belastende Tätigkeiten, in die sie wechseln könnten. Selbst viele junge Leute können sich heute nicht vorstellen, den Pflegeberuf bis zur Regelaltersgrenze auszuüben. Unter der Belastung reduzieren viele ihren Arbeitszeitanteil und gehen mit weniger Geld nach Hause — und da geht es nicht um die viel beschworene Work-Life-Balance! Das Licht am Ende des Tunnels ist einfach zu weit weg.