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Es gibt viele Gründe, mit der Einwanderungspolitik und der Asylgewährung hierzulande unzufrieden zu sein. Das größte Unbehagen bereitet mir die fehlende Bestimmtheit bei den Verfahren, die regeln, wer bleiben darf und wer gehen muss.
Die Entscheidung über ein Asylgesuch und über das Bleiberecht, wenn keine formalen Asylgründe vorliegen, wird in der Bundesrepublik weitgehend in einer rechtlichen Grauzone nach persönlichem Ermessen von Sachbearbeitern getroffen. Der Rechtsweg steht zwar grundsätzlich jedem offen, dessen Ersuchen abschlägig beschieden wird. Aber ein schlechtes Verfahren wird nicht besser, weil ein Richter es überprüfen kann. Im Gegenteil, auch der Richter stützt sich bei seiner Entscheidung auch auf die im Asylverfahren erhobenen Erkenntnisse und kommt daher fast zwingend zum gleichen Ergebnis.
Ein Problem dabei, von dem immer wieder berichtet wird, sind die Dolmetscher, die großen Einfluss darauf haben, was in den Akten festgehalten wird. Wenn der Übersetzer aber aus ethnischen oder religiösen Gründen, oder weil er einfach dem Herkunftsstaat gegenüber loyal ist, dem Asylsuchenden nicht wohlgesonnen ist, kann er dessen Einlassungen verfärben oder verfälschen, ohne dass das leicht zu entdecken ist. Das geschieht tagtäglich, nicht nur in Einzelfällen.
Asylsuchende erleben die Prüfung ihres Antrags oft als einen Akt der Willkür und die Obrigkeit als in ihrem Handeln ohne Regeln und Kontrolle von Gefälligkeiten und Gehässigkeiten gesteuert — nicht anders, als sie es oft aus ihrem Herkunftsland gewohnt sind. Die Bundesrepublik muss ihnen als Willkürstaat erscheinen, in dem Recht und Gesetz nicht präsent sind, was sich gelegentlich — ohne das entschuldigen zu wollen — auf die Compliance des Asylsuchenden überträgt.
Für Asylsuchende und für die Menschen im Lande ist es jedenfalls zermürbend, wenn Ausweisungen damit begründet werden, die Betroffenen seien „Gefährder und Straftäter”, ohne dass man sich dessen sicher sein kann, dass diese Einordnungen in jedem Einzelfall rechtsstaatlichen Kriterien genügt. So sind Zweifel begründet, dass nur solche Personen in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden, bei denen man bei verständiger Würdigung zu dem Ergebnis kommen muss, dass sie dem Asylland und seinen Bürgern Schaden zufügen werden. Wenn aber Menschen, die ihrem Gastland wohl gesonnen sind, durch die Rückführung in ihr Herkunftsland einem Risiko von Verfolgung, Folter und Tod ausgesetzt werden, so ist das besonders tragisch. Ob man im Gegenzug hinnehmen will, dass Personen einem solchen Risiko ausgesetzt werden, die dem Asylland schaden, ist ein weites Feld der Debatte, das schließlich in der Frage mündet, ob Leben und Gesundheit jedes Menschen hier und heute tatsächlich unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen.
Da es immer wieder um Leben und Gesundheit des einzelnen Asylsuchenden geht, besteht ein dringender Bedarf, das Asylverfahren rechtssicher durch Gesetze festzulegen und der Grauzone der Unsicherheit und des persönlichen Ermessens zu entreißen. Hierzu gehört auch die Festlegung, wann Personen hier bleiben dürfen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde. Rechtssicherheit in diesen wichtigen und kontrovers diskutierten Fragen ist sicher keine unbillige Erwartung gegenüber einem Rechtsstaat.
Die Verfahren zur Gewährung des ALG II kann man übrigens unbedenklich mit gleicher Elle messen, obwohl es da „nur” um staatliche Leistungen geht, nicht um Leben und Tod.