15. Sep­tem­ber

Zum (spä­ten) Früh­stück gön­ne wir uns – ja, genau, „Bana­nas Frit­ters”. Und sie schme­cken wie­der genau­so lecker wie am Abend zuvor.

Von Rolf erfah­ren wir, dass er erst am frü­hen Nach­mit­tag zu dem Rei­se­bü­ro fah­ren will, und so wid­me ich mich erst ein­mal der drin­gend erfor­der­li­chen, gründ­li­chen Rei­ni­gung mei­ner stau­bi­gen und ver­schwitz­ten Klei­dungs­stü­cke. Als ich das Bün­del nas­ser Wäsche an einem zwi­schen zwei Bäu­men gespann­ten Seil auf­hän­gen will, fängt es an zu regnen.

Und was für ein Regen das ist!

Das Was­ser pras­selt in so dicken Trop­fen vom Him­mel, als wür­den da oben Mil­lio­nen von rie­si­gen Eimern aus­ge­schüt­tet. Im Nu ste­hen die Wege unter Was­ser, und auf den Rasen­flä­chen bil­den sich gro­ße Pfützen.

Cathe­ri­ne, die auf dem Rück­weg von der Cafe­te­ria zum Bus von die­sem Guss über­rascht wur­de, kommt ange­lau­fen und stellt sich zu uns in den Ein­gang unse­rer Hütte.

Sie ist voll­kom­men durch­nässt, aber das scheint sie nicht zu stö­ren – im Gegen­teil, bei der nach wie vor herr­schen­den Hit­ze ist eine sol­che Abküh­lung wohl ganz angenehm.

Wäh­rend sie sich die Haa­re mit einem unse­rer Hand­tü­cher etwas tro­cken rub­belt, meint sie, dass es jetzt, Mit­te Sep­tem­ber, gele­gent­lich noch Mon­sun-Regen­fäl­len geben könne.

Aber eigent­lich ist die Mon­sun­zeit schon vor­über,” erklärt sie, „die­se Regen­wol­ken sind nur ein paar letz­te Nachzügler.”

Ich hab’ grad einen Berg Wäsche gewa­schen,” sage ich und ver­zie­he das Gesicht.

Die kannst du trotz­dem gleich auf­hän­gen, bis zum Abend ist bestimmt alles getrock­net,” ver­si­chert mir Cathe­ri­ne, „es reg­net um die­se Zeit höchs­tens noch zwei­mal am Tag, und die­se Schau­er dau­ern auch nie lange.”

Als hät­ten die Wet­ter­göt­ter ihre Wor­te ver­nom­men, hört der Regen schlag­ar­tig wie­der auf.

Das Rei­se­bü­ro, zu dem unser Fah­rer uns am Nach­mit­tag kut­schiert, ist ein klei­ner Laden in einer Quer­stra­ße hin­term Con­n­aught Place, in den wir gera­de so eben alle hin­ein passen.

Rolf wird dort emp­fan­gen wie ein Staats­gast, und mir kommt der Gedan­ke, dass er bestimmt einen Rabatt auf sei­ne Tickets bekommt, wenn er, so wie heu­te, vier neue Kun­den mit­bringt. Aber war­um auch nicht?

Für 308 Dol­lar kau­fe ich ein Ticket für einen Direkt­flug Delhi – Frank­furt mit „Thai Inter­na­tio­nal”. Der Reis­bü­ro-Ange­stell­te, der mich berät, hat auch deut­lich bil­li­ge­re Flü­ge im Ange­bot, aber die Namen der Flug­ge­sell­schaf­ten sagen mir nichts, wäh­rend ich über die Sicher­heit der Maschi­nen und den Ser­vice an Bord der thai­län­di­schen Air­line schon eine Men­ge – und nur Gutes – gehört habe.

Anschlie­ßend gehen wir alle sechs essen, und zwar in genau dem „Kwa­li­ty-Restau­rant”, von dem Rolf und Cathe­ri­ne schon in Paki­stan geschwärmt haben, zu Recht, wie wir jetzt feststellen.

Schon die Lek­tü­re der Spei­se­kar­te ist ein Genuss. Seit lan­gem habe ich nicht mehr aus einer der­art gro­ßen Aus­wahl ver­lo­ckend klin­gen­der Spei­sen wäh­len kön­nen und bin daher mit einem Pro­blem kon­fron­tiert, das ich eben­falls lan­ge nicht mehr hat­te – ich kann mich nicht ent­schei­den. Da es Anna und Inge aber eben­so geht, ver­ein­ba­ren wir kol­lek­ti­ves Schlem­men und bestel­len die drei Gerich­te, die uns am meis­ten interessieren.

Als Ulli sich nur eine Vor­spei­se – Samo­sas – bestel­len will, pro­tes­tiert Rolf: „Mensch, die­se Din­ger kriegst du an jedem Stra­ßen­stand genau­so lecker, aber für einen Bruch­teil des­sen, was sie hier kos­ten. Wenn man schon im Kwa­li­ty sitzt, soll­te man sich wenigs­tens eines der fei­nen Cur­ry-Gerich­te oder etwas aus dem Tan­door-Ofen gön­nen!”

Unse­re Spei­sen kom­men in diver­sen Scha­len und Schüs­seln, und zusam­men mit den Fla­den­bro­ten bede­cken sie nahe­zu jeden Zen­ti­me­ter des Tisches. Aber wir ver­put­zen alles!

Nach dem Essen erkun­den Inge und ich noch ein wenig den Con­n­aught Place und die vom äuße­ren Ring, dem Con­n­aught Cir­cus, aus­ge­hen­den Stra­ßen. Die süd­lichs­te davon, der Jan­path, erscheint uns am inter­es­san­tes­ten – ein kun­ter­bun­ter Stra­ßen-Markt, auf dem Klei­dung, Schmuck und Kunst­hand­werk aus allen Lan­des­tei­len feil­ge­bo­ten wird. Die Rei­he der Buden und Stän­de scheint end­los, und wir beschlie­ßen, mor­gen mit mehr Zeit wie­der hier­her zu kom­men, denn es beginnt schon zu dämmern.

Wir fah­ren mit einem drei­räd­ri­gen „Scoo­ter”-Taxi zurück zum Tou­rist Camp und set­zen uns noch eine Wei­le zu unse­ren Mit­rei­sen­den und den ande­ren Indi­en- und Nepal­fah­rern, die vor der Cafe­te­ria sit­zen und Geschich­ten und Infor­ma­tio­nen austauschen.

Auch Rosi und Agnes tref­fen wir dort. Sie haben neben dem 608 ihr Zelt auf­ge­baut und ver­pfle­gen sich mit Hil­fe eines Mini-Cam­ping­ko­chers selbst.

Aller­dings hat Agnes immer noch Ver­dau­ungs­pro­ble­me; ihre Mahl­zei­ten schei­nen nach wie vor haupt­säch­lich aus Zwie­back und Kar­tof­fel­brei zu bestehen. Mit lei­den­der Mie­ne sitzt sie vor einer Cola und erläu­tert Rosi, dass es im Belag des von ihr bestell­te „Vege­ta­ble” Sand­wichs bestimmt vor Kei­men nur so wim­meln wür­de. Aber Rosi lässt sich den Appe­tit nicht ver­der­ben, beisst herz­haft in ihr Sand­wich und lauscht mit sehn­suchts­vol­lem Blick Annas Beschrei­bung der Köst­lich­kei­ten, die wir im Kwa­li­ty genie­ßen konnten.

Inge und ich erzäh­len, dass wir mor­gen einen Bum­mel über den Jan­path Markt machen wol­len, und Cathe­ri­ne nickt und meint, das sei eine gute Idee, es gäbe da ein tol­les Ange­bot an Klei­dung, Schmuck und Sou­ve­nirs. Wenn wir aller­dings teu­re­re Schmuck­stü­cke kau­fen wol­len, soll­ten wir sie lie­ber über­mor­gen auf den Markt in Alt-Delhi, in die Stra­ße der Gold- und Sil­ber­schmie­de begleiten.

Und nehmt euch mor­gen unbe­dingt einen Bade­an­zug oder Biki­ni mit,” sagt sie dann noch, „nach so einer Shop­ping-Tour ist ein erfri­schen­des Bad im Pool des „Impe­ri­al” genau das Richtige!”

Pool? Was für ein Pool?” Ich bin wie elek­tri­siert, hat­te ich doch schon jede Hoff­nung auf­ge­ge­ben, mich in abseh­ba­rer Zeit noch mal mei­ner Kla­mot­ten ent­le­di­gen und in küh­lem Nass her­um­plan­schen zu können.

Nun ja, also, wenn ihr mit dem Jan­path Markt durch seid, kommt ihr zum „Hotel Impe­ri­al”. Das ist eines der schöns­ten und wohl auch eines der teu­ers­ten Hotels in Delhi, halb Kolo­ni­al­stil, halb Maha­ra­dscha-Palast, Mar­mor, Maha­go­ni, ihr wisst schon…”

Ja gut, alles klar, aber das kön­nen wir uns ja nun bestimmt nicht leisten?!”

Doch, das ist ja das Tol­le dar­an – man kann da auch an den Pool, wenn man kein Gast des Hotels ist. Das kos­tet zehn Rupi­en, was natür­lich für hie­si­ge Ver­hält­nis­se ziem­lich viel ist, aber dafür gilt die Ein­tritts­kar­te den gan­zen Tag, und ein schi­ckes Hand­tuch kriegst du auch noch geliehen.”