Geschichte
Den Hintergrund des Films „Das Hoffen ist vorbei” bildet der Aufstieg und Fall der autonomen und Hausbesetzerbewegung am Anfang der 1980iger Jahre im damaligen West-Berlin, wo Walter und ich geboren und aufgewachsen sind. Ich gebe aber zu, dass wir beide nicht aus Kreuzberg, sondern aus dem bürgerlichen Zehlendorf stammen und keinen genuin proletarischen Hintergrund haben. Im Gegensatz zur linken Bewegung unserer frühen Jugend spielte das aber in den Kreisen der Hausbesetzer nie eine große Rolle. Da ich schon dabei bin, möchte ich auch klarstellen, dass ich selbst kein Haus besetzt habe — sieht man mal ab von einer kurzen Periode, während der ich bei meiner Freundin Agnes in einem ansonsten nur von Frauen bewohnten Haus am Winterfeldplatz wohnen durfte. Mein eigenes WG-Zimmer im Charlottenburger Kiez am Klausener Platz gab ich in der Zeit nicht auf, denn mein Bleiben stand unter dem permanenten Verbotsvorbehalt von Agnes Freundinnen.
Meine Schwester Ariane wohnte mit ihren Freundinnen und dem Hund Willi in der Goltzstraße in Schöneberg, also auch nicht weit vom Winterfeldplatz (Codename „Apfelkernplatz”) entfernt. Sie war eine der ersten Handverkäuferinnen der Tageszeitung, die abends die „TAZ von morgen” dem Kneipenpublikum am Savignyplatz anbot. Später teilten mein Freund Gunne und ich diesen Job mit ihr. Gerade zu Zeiten der Berlinale, die im alten West-Berlin hauptsächlich in den Uraufführungskinos am Kurfürstendamm und in der Charlottenburger Off-Kino-Szene stattfand, sah man dort immer wieder bekannte Gesichter wie Helmut Lange (beim Griechen an der Bar), Martin Semmelrogge mit Freunden beim Italiener, und immer wieder den markanten Kopf des Juristen Prof. Dr. Uwe Wesel (im „Luther und Wegener” in der Bleibtreustraße), mit dem ich es mir nur verscherzte, weil ich einmal versehentlich mit Didy Hallervorden verwechselte — nur seine charmante Begleitung fand das lustig.
Da ich selbst Schwierigkeiten hatte, in Berlin eine bezahlbare Wohnung zu finden, fand ich es vernünftig, leerstehende Häuser zu besetzen. Das Haus, in dem wir wohnten, gehörte der Neuen Heimat, einer gewerkschaftlichen Wohnungsbaugesellschaft, die heute anders heißt. Die Neue Heimat hatte den gesamten Wohnungsbestand rund um den Klausener Platz übernommen, damit die vom Senat beschlossene Sanierung des ganzen Gebietes geordnet durchgeführt werden konnte. Für den Plan mussten die Mieter während der Sanierung ihrer Wohnung in eine adäquate Ersatzwohnung umziehen. Meine WG-Mitbewohner und ich profitierten von diesem Angebot und zogen aus einem fußkalten, zugigen ehemaligen Laden in eine helle Belle-Étage-Wohnung mit Balkon in einem Vorderhaus in der Nehringstraße. Sowohl mit unseren neuen Nachbarn, den Bilgis, von deren Balkon ich mehr als ein Mal über einen Mauervorsprung auf den Balkon unserer Wohnung hinübergeklettert bin, weil ich meinen Wohnungsschlüssel vergessen hatte, als auch mit den Muches aus dem Reitershop, deren Sattler aus lauter Mitleid meinen Fahrradsattel aus blanken Stahlfedern mit einem Fellüberzug versah, verstanden wir uns von Anfang an prächtig.