Alles rennet, rettet, flüchtet

Deutsch­land kann nicht alle auf­neh­men — das kann Deutsch­land nicht leis­ten — die Kom­mu­nen sind über­for­dert — die Ängs­te der Anwoh­ner ernst neh­men — die Sor­gen der Men­schen entkräften …

Manch­mal unter­schei­det sich das wirk­li­che Leben von den Geschich­ten von Bob, dem Bau­meis­ter. Wenn Bob sagt „ja, wir schaf­fen das”, dann heißt es, wir schaf­fen das ohne Mühe und Schmer­zen, weil wir das kön­nen und wis­sen wie es geht. Wenn der glei­che Satz fällt im Zusam­men­hang mit den Men­schen, die aus ihren Hei­mat­län­dern zu uns flüch­ten, dann wäre es ein Irr­tum zu glau­ben, dass wir das schaf­fen kön­nen ohne Anstren­gung und ohne selbst Ein­schrän­kun­gen hin­zu­neh­men, denn die Situa­ti­on ist bei­spiel­los und Patent­re­zep­te gibt es nicht. Vie­le Feh­ler müs­sen noch gemacht wer­den, bevor es klappt. Es gibt gar kei­ne Alter­na­ti­ve dazu, sich der Auf­ga­be zu stel­len, denn die Men­schen haben ja zum gro­ßen Teil nicht erst vor zu flüch­ten und wer­den durch eine men­schen­wür­di­ge Behand­lung bei uns dazu ermu­tigt. Die­se Men­schen sind ja zum gro­ßen Teil schon in Deutsch­land oder in einem der Nach­bar­län­der ange­kom­men nach unbe­schreib­li­chen Stra­pa­zen und wer­den sich nicht davon abhal­ten las­sen, nach all dem, was sie erlit­ten haben, den Rest des Weges auch noch hin­ter sich zu brin­gen, dort­hin, wo sie Sicher­heit und Auf­nah­me erwarten.

Vor 25 Jah­ren haben wir mit Inbrunst und Über­zeu­gung und am Ende mit Erfolg gefor­dert, dass die Mau­er, die die Men­schen von Frei­heit und Wohl­stand trennt, fal­len muss. Wie kann man denn heu­te mit gutem Gewis­sen genau das Gegen­teil for­dern, näm­lich einen Zaun zu bau­en, der die Men­schen davon abhält dahin zu gehen, wo sie in Sicher­heit sind und eine Per­spek­ti­ve haben? Damals war es das im Grund­ge­setz for­mu­lier­te Ziel der Ver­ei­ni­gung der bei­den deut­schen Staa­ten, heu­te das grund­ge­setz­li­che Asyl­recht. Jedem, der heu­te den Zaun zurück haben möch­te, kann man nur zuru­fen, „es ist wie­der Zeit, was du hast, mit ande­ren zu tei­len, sieh es bes­ser ein”.

Na gut, grum­meln Wen­de­ge­winn­ler de Mai­ziè­re und Kon­sor­ten, aber nur kurz und nur, wenn es gar nicht anders geht. Und wie­der falsch. Man­che ler­nen es irgend­wann im Leben, ande­re nie: nur wer mehr tut als unbe­dingt not­wen­dig, hat am Ende Erfolg. Wer jetzt Men­schen ein­sperrt bis der Krieg in Syri­en vor­bei ist in der Absicht, sie dann sofort zurück nach Hau­se zu schi­cken, macht zwei Feh­ler: er denkt, der Krieg in Syri­en ist bald vor­bei. Im Ernst, das haben die Rus­sen in Afgha­ni­stan auch gedacht. Man kann auch nicht eine Mil­li­on Men­schen hin­hal­ten, ohne ihnen Beschäf­ti­gung und Per­spek­ti­ve zu bie­ten. Was dabei her­aus­kommt, kann man an den Paläs­ti­nen­ser­camps stu­die­ren: Radi­ka­li­sie­rung und Kriminalität.

So schwer es fällt, in Deutsch­land haben wir die Auf­ga­be bekom­men, die Situa­ti­on zum Vor­teil aller zu ent­wi­ckeln um Scha­den abzu­wen­den. Das heißt, die Menschen,die zu uns geflüch­tet sind, dau­er­haft mit Wohn­raum und Beschäf­ti­gung zu ver­sor­gen, sie ihre eige­nen kul­tu­rel­len Wur­zeln wie­der­fin­den zu las­sen und und ihnen bei­zu­brin­gen, ihre neue Hei­mat Deutsch­land zu mögen.