Geiz ist geil

Das war ges­tern für Arbeit­neh­mer ein schwar­zer Tag, der Ein­fluss der Gewerk­schaf­ten als Tarif­par­tei wur­de von zwei Arbeit­ge­bern erfolg­reich mar­gi­na­li­siert. Das es sich in bei­den Fäl­len um frü­he­re Staats­be­trie­be han­delt — Post und Luft­han­sa — kann kaum trös­ten. Auch der Aus­gang der Bahn-Schlich­tung in der letz­ten Woche schwächt gewerk­schaft­li­che Posi­tio­nen. Arbeit­ge­ber haben Mor­gen­luft geschnup­pert und machen tarif­ver­trag­li­che Errun­gen­schaf­ten von Jahr­zehn­ten durch Aus­glie­de­rung von Berei­chen und Mit­ar­bei­tern in tarif­lich nicht erfass­te oder schlech­ter gestell­te Töch­ter zunich­te, das ist ja das gemein­sa­me The­ma von Post und Lufthansa. 

Natür­lich steht bei den Flie­gern der Aus­gang noch in den Ster­nen, aber der Arbeit­ge­ber hat die Schlich­tung plat­zen las­sen, indem er von vor­ne­her­ein erklärt hat, über die Aus­la­ge­rung von Per­so­nal in die tarif­lich benach­tei­lig­te Toch­ter Ger­man Wings (ehr­lich Leu­te, der Name ist ver­brannt, bil­lig sind dort nicht nur die Abfin­dun­gen für Opfer des bil­li­gen Flug­be­trie­bes) in der Schlich­tung gar nicht spre­chen zu wol­len. Die dar­auf­hin ver­brei­te­te Pres­se­mel­dung, die Gewerk­schafts­sei­te hät­te die Schlich­tung boy­kot­tiert, stellt die Tat­sa­chen gera­de mal auf den Kopf. 

Ganz im Gegen­satz dazu ist die wirt­schaft­li­che Situa­ti­on der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ein­fach blen­dend wie davor lan­ge nicht mehr. Das wird natür­lich nicht so blei­ben, denn ohne dass das Jam­mern je auf­ge­hört hät­te, geht es uns ja schon eine Wei­le so gut. In ein paar Mona­ten, wenn es wie­der berg­ab geht, wer­den wir wahr­neh­men, dass in wel­chem Schla­raf­fen­land wir uns gesonnt haben. Mit ande­ren Wor­ten: wenn es je etwas zu ver­tei­len gege­ben hat, dann jetzt. Trotz­dem „opti­mie­ren” Unter­neh­men ihre Arbeits­kräf­te, als hät­te ihr letz­tes Stünd­lein geschlagen. 

Die Hal­tung vie­ler pri­va­ter Ver­brau­cher, die der frü­he­re Slo­gan des bekann­ten Elek­tro­nik-Fach­markts wie­der­gibt, scheint jetzt auch das Manage­ment vie­ler Unter­neh­men erfasst zu haben: Obwohl Geld in den Kas­sen ist, wird gegeizt auf Teu­fel komm raus, „kei­nen Cent dem Klas­sen­feind”, „Stück­lohn­kos­ten müs­sen run­ter!”. Man gewinnt den Ein­druck, das Manage­ment sei vie­ler­orts im Unter­richts­fach Mar­xis­mus-Leni­nis­mus über markt­wirt­schaft­li­che Zusam­men­hän­ge belehrt wor­den und set­ze das Gelern­te mit Inbrunst um.

Hier bie­te ich mal eine ande­re nahe­lie­gen­de Erklä­rung an: wenn die Geschäf­te schlecht gehen, ist das Geld für sol­che „Umstruk­tu­rie­run­gen” gar nicht vor­han­den und den Unter­neh­men bleibt nichts übrig als zäh­ne­knir­schend wei­ter zu wurs­teln. Nur wenn ordent­lich Geld in der Kas­se hat, kann man sich einen groß­zü­gi­gen Umbau leis­ten, wie die Post ihn gera­de durch­zieht, ele­gan­ter­wei­se ohne dass man vor­her ein Ster­bens­wört­chen davon gehört hat.

Man kann der Arbeit­neh­mer­sei­te nur raten, alles mit­zu­neh­men, was es im Moment gibt. Fal­sche Ani­mo­si­tä­ten sind unan­ge­bracht, strei­ken muss man, wenn Arbeits­kräf­te gebraucht wer­den, wenn es dem Arbeit­ge­ber weh tut und wenn es Geld gibt, dass nur dar­auf war­tet, dass es sich einer nimmt. Was lie­gen bleibt, neh­men Eigen­tü­mer (oft genug der Bund), Anteils­eig­ner, Anle­ger und ande­re Grup­pen, die jetzt im Ver­tei­lungs­kampf eigent­lich mal eine Run­de aus­set­zen müssen. 

Die nächs­te Baisse kommt bestimmt. Wenn Schla­raf­fen­land erst­mal abge­brannt ist, wird ein gro­ßes Heu­len und Zäh­ne­klap­pern anheben.