Ich glaube nicht an KI

Zu dem Arti­kel auf heise.de https://www.heise.de/news/Ursula-von-der-Leyen-Ich-glaube-an-die-Kraft-von-KI-5046668.html

von der Ley­en: „Ich glau­be an die Kraft von KI!”
Quel­le: CC-BY‑4.0: © Euro­pean Uni­on 2019 – Source: EP

KI ist nichts Magi­sches und Abs­trak­tes, an das man nur glau­ben kann, weil es nicht greif­bar ist. Künst­li­che Intel­li­genz ist ein Ober­be­griff für Mecha­nis­men, die Ent­schei­dun­gen, die immer gleich fal­len, auto­ma­tisch vor­weg­neh­men. Wo Sach­be­ar­bei­ter nur Richt­li­ni­en anwen­den, auf die sie selbst kei­nen Ein­fluss haben, oder Ärz­te The­ra­pie­ent­schei­dun­gen tref­fen, ohne den Pati­en­ten gespro­chen oder gese­hen zu haben, ist nichts dar­an aus­zu­set­zen, dass Soft­ware Ent­schei­dun­gen vor­weg­nimmt, die immer gleich fal­len, und damit den Pro­zess beschleunigt.

Wenn der Mensch gele­gent­lich Feh­ler macht, weil er die Viel­zahl von Para­me­tern nicht mehr über­schau­en kann, z. B. wenn er nicht alle Para­me­ter betrach­tet oder will­kür­lich abwägt, kann die Pro­zess­qua­li­tät gestei­gert wer­den, wenn die Regel­wer­ke der Ent­schei­dungs­grund­la­ge for­ma­li­siert und der Pro­zess sel­ber auto­ma­ti­siert wird.

Goog­le stellt nicht so vie­le Frau­en ein. Bei einem Test­lauf hat die AI beim Goog­le Recrui­ting des­halb Bewer­bun­gen von Frau­en bereits im Vor­feld aus­sor­tiert. So ver­stärkt AI nega­ti­ve Ten­den­zen, denn bei aller Intel­li­genz fehlt ihr die Fähig­keit zur kri­ti­schen Reflexion.

Sechs Jahre Vorsprung für Tesla

Ein paar Gedan­ken zu https://www.spiegel.de/auto/tesla-zerlegtes-model-3-offenbart-grossen-technologievorsprung-a-d89e14e3-769a-427c-bd0e-374140f23939

Quel­le: Wiki Commons

Ich arbei­te in der IT-Abtei­lung eines Kran­ken­hau­ses und muss­te Hei­lig­abend damit ver­brin­gen, her­aus­zu­fin­den, war­um die Labor­wer­te der Blut­gas­ana­ly­sen nicht in die kli­ni­schen Sys­te­me über­tra­gen wur­den. Das Wun­der ist aber eigent­lich, dass es über­haupt irgend­wann und spo­ra­disch funk­tio­niert hat­te. Jeden­falls war es Hei­lig­abend nicht mög­lich, jeman­den zu fin­den, der das Zusam­men­spiel der betei­lig­ten Sys­tem soweit ver­stand, dass er oder sie in der Lage gewe­sen wäre, das Pro­blem zu ana­ly­sie­ren. Die­se Erfah­rung mache ich zuneh­mend: Kom­ple­xe Sys­tem wer­den als Black Boxes akzep­tiert, die infor­ma­tik-typisch zwei Zustän­de ken­nen: Sie funk­tio­nie­ren oder sie funk­tio­nie­ren nicht. Tes­la scheint das Glück und das Ver­dienst zu haben, das Zusam­men­spiel und die Par­al­le­li­tät der ver­schie­de­nen Steue­run­gen in der eige­nen Hand zu haben, mit einer Ent­wick­lungs­ab­tei­lung, die ver­steht, was da vor­geht, in der Lage ist, Feh­ler zu fixen und das Sys­tem wei­ter zu ent­wi­ckeln. Von die­sem Anspruch haben sich deut­sche Her­stel­ler in vie­len Berei­chen der Indus­trie ver­ab­schie­det. Da liegt ein Dilem­ma. Die Ein­sicht, dass man nicht alles ein­kau­fen kann ohne die Kon­trol­le auf­zu­ge­ben, muss irgend­wann auch in Deutsch­land Fuß fas­sen oder wir wer­den eines Tages vor unse­rer Tech­nik ste­hen wie ein mit­tel­al­ter­li­cher Hand­wer­ker vor einer ägyp­ti­schen Pyra­mi­de: mit ungläu­bi­gem Stau­nen, aber ohne eine Spur von Verständnis.

Digitale Behörden: Innenminister wollen vernetzte Melderegister „mit einer Art” Personenkennziffer

Mei­ne Mei­nung zu die­ser Mel­dung auf heise.de:

Das Ver­bot einer PKZ beruht auf dem infor­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mungs­recht, das Lut­ter­beck et al. in einem Gut­ach­ten für den Pro­zess for­mu­liert haben, der letz­ten Endes zum „Volks­zäh­lungs­ur­teil” geführt hat, wenn ich mich recht erin­ne­re(!).
Ist also weder ein Gesetz noch unmit­tel­bar Bestand­teil der Ver­fas­sung, nicht mal Rich­ter­recht, son­dern wur­de in Ana­lo­gie zu den in der Ver­fas­sung ver­an­ker­ten Grund- und Frei­heits­rech­ten pos­tu­liert.
Bis jetzt hat das aus­ge­reicht, um die Angrif­fe von Unter­neh­men und Behör­den auf das Pri­vat­le­ben abzu­weh­ren (z. B. exzes­si­ve Video­über­wa­chung im öffent­li­chen und halb­öf­fent­li­chen Raum, PKZ, …), aber eine Ero­si­on durch zurück­ge­hen­de Sen­si­bi­li­tät gegen Ein­grif­fe in die Pri­vat­spä­re und zuneh­men­de „ich habe nichts zu ver­ber­gen” Men­ta­li­tät mei­ne ich zumin­dest zu beob­ach­ten.
Das ist m. E. ein Hin­weis dar­auf, dass die Ein­griffs­rech­te von Unter­neh­men und Behör­den (und auch von natür­li­chen Per­so­nen) in die Pri­vat­s­sphä­re Drit­ter durch Daten­spei­che­rung und ‑ver­ar­bei­tung im wei­tes­ten Sin­ne auf ein soli­de­res Fun­da­ment gestellt wer­den müs­sen, z. B. durch einen Ver­fas­sungs­zu­satz (gibt es das in Deutsch­land über­haupt?) oder durch Gesetz. 

68 neu erklärt

Ein Aus­schnitt aus dem Film „Das Hof­fen ist vor­bei” von Wal­ter Godensch­we­ger und mir. Eli­te-Haus­be­set­ze­rin Kath­rin, die gera­de aus ihrem Zehlen­dor­fer Eltern­haus zu ihrem Beset­zer­freund Georg in ein besetz­tes Haus am Frän­kel­ufer geflo­hen ist, erklärt ihrem ande­ren Schwarm, dem Kunst­do­zen­ten Frank, die 68iger Bewe­gung und wor­um beim Häu­ser­be­set­zen geht.

Unglückliche Umstände

Nach einer unge­wöhn­lich schlech­ten Auf­füh­rung wand­te sich jemand an Alfred Kerr mit der Fra­ge: „Nun, wie fan­den Sie es?”
„Ich glau­be, es wäre nicht fair von mir, wenn ich dar­über urtei­len woll­te,”  erwi­der­te Kerr. „Ich sah das Stück unter ganz beson­ders unglück­li­chen Umstän­den — der Vor­hang war die gan­ze Zeit auf.”


Doro­thy Thomp­son, spä­ter eine der gewal­tigs­ten und furcht­erre­gends­ten Kri­ti­ke­rin­nen in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, war alles ande­re als das, als Sin­clair Lewis sie zum ers­ten Mal bei einer Abend­ge­sell­schaft in Ber­lin traf. Lewis war so ent­zückt von ihr, dass er sich wäh­rend des Essens über ein paar kon­ster­nier­te Gäs­te hin­weg­lehn­te und ihr einen Hei­rats­an­trag machte.
Die Lewis’ hat­ten ein ruhi­ges und schö­nes Leben, bis Doro­thy Thomp­son als Publi­zis­tin so berühmt wur­de, dass sie für nichts ande­res mehr Zeit fand. Eines Abends wur­de Lewis gefragt, wo denn sei­ne Frau sei.
„Sie ist vor drei Jah­ren im NBC-Rund­funk-Stu­dio ver­schwun­den,” sag­te der Gat­te beküm­mert, „und seit­dem hat sie kei­ner mehr gesehen.”


Eliza­beth Che­va­lier, Autorin eines ame­ri­ka­ni­schen Best­sel­lers, schrieb an einen Freund:
„Hast du schon die Geschich­te von dem Schrift­stel­ler gehört, der einen alten Freund trifft? Nach­dem sie sich zwei Stun­den unter­hal­ten haben, sagt der Schrift­stel­ler: ‚Jetzt haben wir aber lan­ge genug von mir gere­det — erzähl’ doch nun mal was von dir! Wie fandst du mei­nen letz­ten Roman?’ ”


Eine Klau­sel in Heming­ways Ver­trag ver­bie­tet den Ver­le­gern, an Heming­ways Manu­skript auch nur ein ein­zi­ges Wort zu ändern. Der aus­ge­zeich­ne­te Lek­tor von Scrib­ner, Max­well Per­kins, las das Manu­skript von „Tod am Nach­mit­tag”, als er auf ein altes angel­säch­si­sches Wort stieß, das mit „f” anfängt und vier Buch­sta­ben hat. Er eil­te auf der Stel­le zum Büro des bereits etwas älte­ren Charles Scrib­ner und las ihm die anstö­ßi­ge Stel­le vor. Der wür­di­ge Herr geriet in Verlegenheit.
„Beden­ken Sie,” sag­te Per­kins, „nach dem Ver­trag dür­fen wir kein Wort ändern!”
„Tja,” erwi­der­te Charles Scrib­ner bedäch­tig, „dar­über müs­sen wir nach dem Essen noch ein­mal aus­führ­lich bera­ten.” Geis­tes­ab­we­send notier­te er das Wort auf einem Blatt Papier, auf dem oben­an stand „Was heu­te zu tun ist“.
Es geht noch fer­ner das Gerücht, dass die Sekre­tä­rin einen Blick auf jenes Blatt warf, wäh­rend Charles Scrib­ner beim Essen war. Sie schnapp­te nach Luft und rief aus: „Du lie­ber Him­mel, muss eine Sekre­tä­rin ihren Chef an alles erinnern?”

(aus „Try and Stop Me” von Ben­nett Cerf, aus dem Eng­li­schen über­setzt von Eli­sa­beth und Horst Soyka)